Mittwoch, 18. November 2015

Offener Brief einer gebürtigen Deutschen und Wahlkatalanin


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Ich bin in Deutschland als Tocher und Enkel von Deutschen zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges geboren. Ich war dort das erste Vierteljahrhundert meines Lebens ansässig, bis mir klar wurde, dass ich nicht dort bleiben konnte. Ich wusste nicht, was der Grund für das Unwohlsein war, das mich mein Leben lang begleitet hatte; aber es war offensichtlich, dass ich Abstand brauchte, um eine Perspektive zu gewinnen und einen Weg zu finden, der es mir ermöglichen würde, mich in meiner Haut wohler zu fühlen.

Als ich zum ersten Mal in Katalonien ankam, wusste ich gar nicht, dass es die katalanischen Länder und die katalanische Sprache überhaupt gibt. Nach etwa drei Tagen merkte ich, dass die Leute untereinander in einer Sprache redeten, die anders war als die, die ich an der Universität lernte. Solange ich im Fachbereich der Angewandten Sprachwissenschaften in Germersheim studierte, vermied ich es katalanisch zu sprechen, um mich nicht unnötig zu verwirren. Als ich beschloss, nach Katalonien zu ziehen, tat ich es aus Liebe; nicht aus Liebe zu einem Mann –ich lernte meinen Mann erst zwanzig Jahre später kennen-, sondern aus Liebe zu einer Reihe von Leuten, zu einem Land, einem Volk, einer Lebensweise. Dann habe ich auch katalanisch gelernt, auf meine Art und mit Hilfe meiner Freunde. Ich gab mir zwei Jahre, um zu sehen, ob ich in der Lage war, mir meinen Lebensunterhalt hier zu verdienen.

Jetzt lebe ich seit vierunddreissig Jahren in Katalonien, und ich empfinde mich als Katalanin. Ich erfülle die Bedingungen, die das Gemeinrecht für die Zugehörigkeit zur katalanischen Nation erstellt: ich liebe die katalanische Erde, ich lebe von ihr, und ich spreche die katalanische Sprache. Ausserdem bin ich stolz darauf Katalanin zu sein. Ich bin stolz auf die Bereitschaft, Konflikte im Gespräch einer Lösung näherzubringen, die das katalanische Volk kennzeichnet, auf den Willen und die Fähigkeit zur Integration und den Sinn der eigenen Identität. Ich bin dankbar für die Grosszügigkeit, mit der ich aufgenommen wurde.  Der entschlossene Geist, der die katalanische Sprache über vierzig Jahre der Diktatur am Leben erhalten hat und sie danach wieder als offizielle Sprache eingesetzt hat, ist in Resonanz mit meiner eignenen Entschlossenheit. Die geistige Beweglichkeit der Menschen, die mehr als nur eine Sprache sprechen, die Kreativität und der Fleiss des katalanischen Volkes regt diese Qualitäten auch in mir an.
 
Ich konnte nie stolz darauf sein, Deutsche zu sein. Obwohl hier viele mein Deutschtum als eine Art von Gütezeichen ansehen, war es für mich lang Grund zur Scham. Nach vielen Jahren persönlicher Arbeit habe ich diese Scham als Teil des Unwohlsein erkannt, das auf meiner Kindheit und Jugend lastete. Als ich von der kollektiven Schuld, die das deutsche Volk im sogenannten „Dritten Reich“ erworben hatte, den mir zustehendenTeil anerkannte, fand ich eine Form, die es mir ermöglicht, diesbezüglich Stellung zu beziehen, ohne unter der Last des Schweigens der Anfangsphase meines Lebens unterzugehen, sondern statt dessen die menschliche Natur im Allgemeinen und insbesondere meine eigene zu verstehen. Die deutsche Haltung in der gegenwärtigen Politik ist nun wieder erneut zum Motiv der Scham geworden, aufgrund des Mangels an Verständnis der eigenen Geschichte, die sie zu Tage legt.
 
Leider ist das Gespenst des faschistischen Nationalismus, vor dem die Gegner des Rechts auf katalonische Selbstbestimmung warnen, tatsächlich vorhanden. Aber es ist der Schatten der eigenen unverarbeiteten Vergangenheit, den diese Leute auf den Prozess der katalonischen Souveränität projizieren, und hat mit der wahren Absicht dieses Volkes, sich von der unhaltbaren Politik des spanischen Staates abzugrenzen, überhaupt nichts zu tun. Wir haben keine Invasion oder Annexion vor, auch will hier niemand andere als Sündenbock für in der eigenen Psyche Verleugnetes aus der Welt schaffen. Es geht auch nicht darum, das wir Schwächeren nicht helfen wollen. Wir sind von Natur aus solidarisch und hilfsbereit; zumindest der grösste Teil des katalanischen Bevölkerung ist es. Wir wollen ganz einfach nur von einer ungerechten und unhaltbaren Behandlung Abstand nehmen. Wenn wir uns nicht darum bemühen, werden wir zu Komplizen der Ungerechtigkeit und der unhaltbaren Politik der spanischen Regierung.

Vor kurzem klärte sich ein blinder Fleck meiner persönlichen Geschichte: während des zweiten Weltkrieges war mein Grossvater Offizier der Wache der Pulverfabrik in Düneberg. In diesem Licht gewann sein Schweigen während der Spaziergänge meiner Kindheit mit ihm eine neue Dimension. Wahrscheinlich waren unsere Wege dieselben, die er auch in Erfüllung seines Dienstes bewachte. Ich fragte ihn nie nach den gesprengten Gebäuden mitten im Wald, und er sagte nie etwas darüber. Wir taten so, als wären sie nicht da. Aber ich kann heute noch eine Knoten im Magen spüren, wenn ich daran denke. Dank des Verständnisses, dass ich durch meine innere Arbeit und meinen Beruf als struktureller Integrator, als Praktiker der Somatischen Mustererkennung und als Archetypische Musteranalytiker erreicht habe, weiss ich, dass dieser Knoten ein Reflex der Anstrengung meines Grossvater war, den Wahn, an dem er teilgenommen hatte, aus seinem Bewusstsein fernzuhalten und in Schweigen zu hüllen, und wahrscheinlich auch den Terror in Grenzen zu halten, den er genau wie alle anderen Geesthachter spätestens gegen Ende des zweiten Weltkrieges gespürt haben muss, als der Ort unter direktem Beschuss stand und Gefahr lief, durch eine Riesenexplosion samt kilometerweiter Umgebung von der Landkarte gewischt zu werden. Er war nicht fähig, die Schuld, die Scham und den Terror zu ertragen, und so zog sich der Knoten immer enger zusammen und übertrug sich umso stärker auf das kleine Mädchen an seiner Seite.

Ich bin Deutsche, weil ich in Deutschland zur Welt gekommen bin, das ist unabänderlich. Ich nehme die Scham, die das mit sich bringt, auf mich zusammen mit den dazugehörigen Tugenden. Ausser meinem deutschen Pass hätte ich gern auch einen katalanischen. Weil ich zu Katalonien gehöre, gehöre ich nach vierunddreissig Jahren, in denen ich meinen Beitrag zur spanischen Gesellschaft geleist habe, zwangsläufig auch zu Spanien.

Aber ich kann nicht wählen, weil die Spanier mich zwingen, meine deutsche Staatsbürgerschaft aufzugeben, um die spanische zu erhalten; und das scheint mir unmöglich. Ich möchte wählen können in dem Land, in dem ich die volle Länge meines produktives Lebens gelebt habe und welches ich zu meiner Wahlheimat erkoren habe, Katalonien. Ganz besonders möchte ich an einem bindenden Referendum teilnehmen, das dem katalanischen Volk erlaubt, zu entscheiden, ob wir zu Spanien dazugehören wollen oder nicht; und sollte eine Mehrheit das wollen, in welcher Form sie es will.

Ich möchte in einem Land zu leben, das von Menschen regiert wird, die wissen, dass das Leben auf diesem Planeten eins ist, dass wir Menschen ein Teil der Natur sind und dass es unsere Verantwortung ist, sie zu hegen und zu pflegen, und die ihre Politik auf der Grundlage des Respekt für diese Tatsachen entwickeln. Ich möchte in einem Land leben, in dem es eine unabdingliche Voraussetzung für den Zugang zum öffentlichen Amt und Führungspositionen jeglicher Art ist, die innere Arbeit zu leisten, die Strukturen und Dynamiken des eignenen Ichs und seines Schattens kennenzulernen, und zwar mit beiden Hälften des Gehirns. Das ist zwar noch keine Garantie, aber nur so ist es möglich zu verhindern, dass die Projektionen des eigenen Schattens die moralischen und menschlichen Qualitäten, die jede Führungskraft verkörpern sollte, verfinstern.  Ich glaube, dass die Bedingungen für die Erschaffung einer solchen Regierung in einem kleinen Land günstiger sind.
Brigitte Hansmann
Barcelona, 6-4-2014


Ich erhielt eine Antwort von Herrn Dr. Wienberg, einem der Autoren der sogenannten Deklaration von barcelona, auf die mein offener Brief ein Antwort war, und zwar per email. Der Vollständigkeit halber kopiere ich sie hier:
De: Declaración de Barcelona info at declaraciondebarcelona.com
Enviado el: martes, 15 de abril de 2014 21:15
Para: brigitte at ermie.net
Asunto: RE: offener Brief einer gebürtigen Deutschen und Wahlkatalanin

Sehr geehrte Frau Hansmann,

vielen Dank für die Übersendung des links zu Ihrem offenen Brief, der mich sehr beeindruckt hat. Insbesondere die Schilderung Ihrer Erlebnisse mit Ihrem Großvater hat mich sehr betroffen gemacht. Auch mein Großvater sprach nie über das, was er Schreckliches im Krieg erlebt hatte. Er musste nach dem Krieg noch einen weiteren furchtbaren Preis zahlen, nämlich den Verlust seiner so sehr geliebten Heimat in Oberschlesien. Wie doch die Geschichte an uns nagt und das meiste davon wird uns nicht einmal bewusst!

Auf unsere Declaración de Barcelona nehmen Sie nur mittelbar am Ende Ihres Schreibens Bezug, in dem Sie die Ansicht äußern, dass die Bedingungen für die Erschaffung einer guten Regierung in einem kleinen Land Ihnen günstiger erscheinen. Diese Ansicht ist absolut legitim und auch gut vertretbar, obwohl ich persönlich der Ansicht bin, dass eine Teilung nur schwächt und daher sich nachteilig auswirkt.

Es geht aber nicht darum, was gut, besser oder schlecht ist, sondern darum, was rechtmäßig und was rechtswidrig ist und in einem Rechtsstaat ist es einer Minderheit nicht gestattet, gegen die überwältigende Mehrheit des Staatsvolkes, ihre Vorstellungen einseitig durchzusetzen. Hierzu sende ich Ihnen eine sehr gute staatsrechtliche Begründung, die in einem Artikel der Frankfurter Rundschau vom 8. April zu lesen war.

Falls Sie hiergegen einwenden, dass es ungerecht sei, die Katalanen nicht über Ihre Zukunft abstimmen zu lassen, so will ich damit mit Aristoteles antworten:

„Das Recht ist nichts als die in der staatlichen Gemeinschaft herrschende Ordnung, und eben dieses Recht ist es auch, das darüber entscheidet, was gerecht ist.“


Mit den besten Grüßen

Dr. Carlos Wienberg

Meine Antwort:
Sehr geehrter Dr.Wienberg,

vielen Dank für Ihre Antwort auf meinen offenen Brief. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sie direkt  als Kommentar auf dem Blog veröffentlichen würden. Dann kann ich meine Antwort dazutun.

Wenn traumatische Erlebnisse nicht bewusst verarbeitet werden, kann das innere Gleichgewicht nicht wiederhergestellt werden, selbst wenn man sich schon lange wieder in Sicherheit befindet. Der Organismus muss dann die Abwehrmechanismen, die es ihm ermöglicht haben, das Schlimmste erstmal zu überleben, weiterhin aufrecht erhalten. Würde er sich entspannen, dann kämen eine Reihe von Empfindungen zutage, die mit den traumatischen Erlebnissen zusammenhängen. Das wird leider meist verhindert durch Verdrängung, Unterdrückung, Ablenkung, Drogen, Alkohol oder Medikamente, oder eine Kombination davon. Und so bleibt das Trauma unterhalb der Bewusstseinsschwelle ständig aktiv,  je nach Umständen latent oder akut.

Traumatische Erlebnisse hinterlassen Spuren nicht nur bei Opfern, sondern auch bei Tätern und selbst bei Augenzeugen. Wenn sie nicht bewusst verarbeitet werden, können sie Verhaltensmuster hervorbringen, die das ursprüngliche Trauma immer wieder wiederholen, wobei ursprüngliche Opfer manchmal zu Tätern werden. Geschichte bleibt auf diese Art nicht nur im individuellen sondern auch kollektiven Bereich lebendig. Sie bestimmt die Gegenwart durch körperliches Erleben, das von Generation zu Generation übertragen wird und die Wahrnehmung der tatsächlichen, gegenwärtigen Bedingungen trübt.

Sie haben voll und ganz recht, wenn sie schreiben, dass es nicht darum geht, was gut, besser oder schlecht ist. Aber darum, was rechtmäßig und was rechtswidrig ist, geht es im Grunde genommen auch nicht, denn in einem Rechtsstaat ist das Definitionssache. Schon Aristoteles wusste, dass die in der staatlichen Gemeinschaft herrschende Ordnung auch bestimmt, wie diese Ordnung den Umständen der gegenwärtigen Realität angepasst werden kann. Darauf wies vor kurzem auch Herr Rubalcaba hin: das Grundgesetz beinhaltet auch Bestimmungen darüber, wie es geändert werden kann. Worum es wirlich geht, ist darum, dass wir Menschen dazu neigen, das zu wiederholen, was wir nicht erinnern wollen.

Den Artikel der Frankfurter Rundschau vom 8. April 2014, den Sie mir freundlicherweise schicken, hatte ich sogar schon gelesen. Herr Dahms desqualifizierender Ton ist typisch für jemanden, der davon überzeugt ist, sich auf einem Standpunkt zu befinden, der ihm eine objektive Perspektive ermöglicht. Wo immer man sich auch hinstellt, stets bleibt ein Teil der Realität ausserhalb des eigenen Blickwinkels. Darum ist es wichtig, die eigenen Filter, durch die Realität wahrgenommen wird, zumindest erstmal kennenzulernen, um den ihnen zukommenden reellen Wert einschätzen zu können und sie, soweit möglich, zu eliminieren. Dann sollte man sich auch um die eigene Achse drehen und die verschiedenen Panoramen in Betracht ziehen, die so zu Augenschein kommen. Ich bin mir sicher, dass Herr Dahms rechter Schuh an der Hacke aussen stärker abgenutzt ist als innen und als sein linker Schuh. Ich möchte damit keinesfalls eine Aussage über seine politische Neigung machen. Aber bei Menschen, die sich von der vor ihnen befindlichen Realität emotional zurückziehen und von den Empfindungen des eigenen Körpers Abstand nehmen, ist meist viel mehr Gewicht auf dem rechten Fuss hinten aussen an der Ferse.

Aus Ihrer persönlichen Ansicht hinsichtlich einer “Teilung“ geht hervor, dass Sie es für vorteilhaft  halten, stark zu sein. Es ist schön, dass Sie gern stark sein möchten. Aber ich frage mich wofür und für wen Sie stark sein möchten. Stärke wirkt sich oft nachteilig aus, wenn Sie die Fähigkeit beeinträchtigt, klar wahrzunehmen. Sie wird oft dazu verwendet,  auf dem Fortbestand überlieferter vergangener Bedingungen zu beharren und dazu im Konflikt stehende Umstände einfach zu unterdrücken. Doch unterdrückte oder verdrängte Tatsachen sind keinesfalls aus der Welt geschafft; denn unterschwellig wachsen sie und werden zu Krankheit, Gewalttätigkeit, und unkontrollierbaren Fehlhandlungen. Da wird manches als menschliche Natur dargestellt, was eigentlich aus traumatischer Erfahrung entstanden ist. Tatsächlich glauben vielen Menschen, dass Stärke zum Überleben unabdingbar ist, doch die menschliche Entwicklung war nur möglich, weil es in unserer Natur ist, einander zu helfen, nicht weil wir stärker sind als andere.

Ich würde es nicht „Teilung“ nennen, was das katalanische Volk angestrebt. Was Ihre Deklaration im Einklang mit der deutschen Presse und der spanischen Regierung als separatistische Bestrebungen darstellt, erscheint mir als der Anspruch auf die vor 300 Jahren testamentarisch festgelegten Bedingungen, die vom damaligenTronfolger missachtet wurden. Der „Kaffee für alle“ bei der Einrichtung der autonomen Regionen im demokratischen Spanien schien ein weiterer Versuch, die Katalonien historisch zustehenden Rechte in einer Allgemeinregelung untergehen zu lassen. Jenseits der durch staatliche Ordnungen festgelegten Regelungen gibt es auch im Recht eine Art Kraftfeld, das genauso wirkt wie die Schwerkraft. Das ist eine der archetypischen Konstanten der Natur. Jederman weiss, dass eine Struktur, die in der Schwerkraft ausgewogen ist, sich durch Stabilität und Widerstandskraft auszeichnet. Im Konflikt mit der Schwerkraft hingegen kann sich auf Dauer nichts aufrecht erhalten. Genauso ist es im Recht. Bestimmungen, die friedlichem Zusammenleben förderlich sind können Bestand haben. Unrecht bleibt Unrecht und schafft auch nach 300 Jahren noch Leiden.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Hansmann

Dienstag, 15. September 2015

Auf der Spur der Geschichte - Einen blinden Punkt anpeilen: die ehemalige Düneberger Pulverfabrik

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Auf einem der regelmässigen Spaziergänge des Förderkreises für ein Industriemuseum Geesthacht habe ich viel über die Geschichte der Düneberger Pulverfabrik erfahren. Es war höchst interessant. Ich bin zu diesem Anlass extra aus Barcelona gekommen. Das Thema war "Deutsches Pulver für die Welt". 

In den letzten Jahren hatten verschiedene Geschehnisse mir verdeutlicht, dass die Pulverfabrik ein blinder Punkt in meinem Leben war und dass ich gut daran täte, mehr darüber herauszufinden. Ich habe das Gefühl, dass ich an diesem Wochenende in tiefe Wurzeln meines Wesens eingetaucht bin, die mir Kraft, Festigkeit und Geistes- oder Seelennahrung liefern. Solange sie in Vergessenheit getaucht waren, gingen Empfindungen wie Scham, Angst, Wut und Schuld von ihnen aus. Erst als es mir gelang, den Knoten in meinem Bauch, der dort seit frühester Kindheit war, ein wenig zu lockern, wurde es möglich, diese Gefühle zu benennen und auch zu hinterfragen und Hinweise auf den Kontext ihres Entstehens zu entdecken. Oft genug erschienen sie ohne klar ersichtlichen Grund, oder aufgrund von Ereignissen, mit denen die Heftigkeit dieser Gefühle nicht übereinstimmte. Sie gehörten zu einem Muster, das sich ständig wiederholte, negative Auswirkungen auf meine Gesundheit und mein Wohlbefinden hatte, und mein Leben in beruflicher und privater Hinsicht behinderte. Die Arbeit der Mustererkennung hat mir Spuren gezeigt, die in dieses Gelände führten. Als ich erfuhr, dass mein Grossvater dort Offizier der Wache gewesen war wurden sie konkret. Sein Verhalten in späteren Jahren zeigt, dass er, was auch immer er dort erlebt hat, nicht verarbeiten konnte. Er hat es verdrängt und ich habe es von ihm übernommen, direkt von Körper zu Körper, Geist zu Geist übertragen, und sicherlich auch über meinen Vater, ganz automatisch, ohne es zu wissen, denn das ist so in der menschlichen Natur. 

Auf dem offiziellen Spaziergang am morgen ging es hauptsächlich um die noch vorhandenen Gebäude und um viele, die inzwischen nicht mehr stehen.

 

Hier kam eine Erinnerung aus meinem eigenen Leben: Auf diesem Hof bekam ich meinen ersten Kuss von einem gewissen Carlos, an den ich mich ansonsten überhaupt nicht mehr erinnern kann. Jetzt habe ich erfahren, dass dies ein Verwaltungsgebäude der Pulverfabrik gewesen war. Davon hatte ich damals keinen blassen Schimmer. Auch dass das Gymnasium, wo ich zur Schule ging, mal die Versorgungsanstalt gewesen war, hatte ich erst vor ein paar Jahren in einem Geesthachter Geschichtsbuch gelesen, dass mein Vater mir vermacht hat.

 
Der Referent Jochen Meder, hat uns viel über jedes einzelne Gebäude erzählt, über die noch bestehenden, genauso wie über viele der verschwundenen, über Produktionsabläufe und vieles mehr. In diesem Gebäude, das etwas mit der Energieversorgung der Fabrik zu tun hatte und nach dem Krieg Sammelstelle für Schrott als Reparaturleistung an England, ist jetzt ein Café und Veranstaltungslokal mit Kunstgewerbeladen. Dort werde ich im Rahmen der 800-Jahres-Feier von Geesthacht und der Alfred-Nobel-Tage in Dezember 2016 einen Vortrag halten darüber, wie man die Spuren der Geschichte im eigenen Körper erkennen und von ihnen lernen kann, liebevoll mit sich selbst und anderen umzugehen, die eigene Gesundheit, die unserer Nachfolger und die der Natur zu schützen, und überhaupt ein glückliches und befriedigendes Leben zu führen.

 

Die Perle, Verwaltung auf höherer Ebene und Direktorenwohnung. Später, in den 70er Jahren, als ich schon weg war aus Geesthacht, Künstlerkollektiv.

Am Nachmittag kam dann der zweite Spaziergang, den man gesondert anfordern kann und der für mich am wichtigsten war, denn auf solchen Wegen ging ich mit meinem Grossvater spazieren. Erst vor zwei Jahren erfuhr ich, dass mein Grossvater Offizier der Wache gewesen war in der Pulverfabrik. Ich hatte ein Photo von ihm gefunden in der Uniform eines Offiziers der Wehrmacht. Darüber wurde in meiner Familie nie gesprochen, jedenfalls nicht in meiner Gegenwart. Ich fragte eine Tante, die letzte, die noch am Leben ist, die etwas darüber wissen konnte. Es war nur wenig, denn sie war damals ein kleines Mädchen.

Hier fanden wir die Ruinen, die ich aus meiner Kindheit und Jugend erinnerte, die ich immer für ausgebombte Bunker gehalten hatte. Jetzt erfuhr ich, dass es Walzwerke gewesen waren, Presswerke, Drehwerke, Transferstationen, Geschosslager....




Seit vielen Jahren übe ich es, beim Ausatmen Dinge loszulassen, die mein Körper mit unwillkürlicher Spannung festhält. Die Atmung wird von dem selben autonomen Teil des Nervensystems reguliert wie der Gewebetonus, die unwillkürliche Spannung unserer Muskeln. Das Ausatmen ist eine Bewegung der Entspannug; hier lassen die Muskeln, die beim Einatmen gearbeitet haben, los. Wenn man sich dafür Zeit nimmt, so richtig in sich hineinzuruhen, kann man aus der Tiefe des Lebewesens, welches man selbst ist, die Unterstützung des Fussbodens spüren, das heisst, man kann in sich ruhen, in der Tiefe des eigenen Wesens und in der materiellen Welt, von der wir alle ein Teil sind.




Auf diese Art bin ich der Geschichte überhaupt erst auf die Spur gekommen, denn immer wenn es mir gelingt, unwillkürliche Spannung zu lockern, kommt Information zum Vorschein. Man muss es nur lernen, diese Information auch zu verstehen und in den richtigen Zusammenhang zu bringen. Wenn das gelingt, dann löst sich Spannung. Es scheint so, als ob der Körper Erinnerungen und Empfindungen festhält, die gewusst werden wollen. Und wenn die Botschaft angekommen ist, kann der Bote ruhen. Sie kann dann in bewusste Erfahrung eingebunden werden; man kann Schlussfolgerungen ziehen, Zusammenhänge erkennen, das Verhalten anderer sowohl als auch das eigene verstehen, und sich um Dinge kümmern, die manchmal schon seit Generationen auf Verständnis, eine Lösung oder zumindest Erkenntnis warten.


Wir redeten nicht viel, als ich meinen Grossvater auf seinen Spaziergängen in diesem Gelände begleitete. Ich war damals, fünf, sechs, sieben... Das unangenehme Gefühl im Bauch war eigentlich immer da. Ich wäre damals nie auf den Gedanken gekommen, es mit ihm oder sonst wem in Verbindung zu bringen. Ich dachte, es läge daran, das mit mir irgend etwas nicht in Ordnung war. Aber ich traute mich nicht, das jemandem zu sagen. Ich strengte mich eben an, so zu sein, wie es normal erschien.


Wenn ich versuche mir vorzustellen, wie die Leute sich damals gefühlt haben, als hier Schiesspulver hergestellt wurde, Leute, die freiwillig dort arbeiteten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen und andere, die als Zwangsarbeiter aus besetzten Gebieten herangeschleppt wurden, bin ich mir sicher, dass Sich-Zusammenreissen und Knoten im Magen an der Tagesordnung waren. Ich kann mir kaum vorstellen, wie es für meinen Grossvater gewesen sein muss, dort Wache zu schieben. Ich habe mir Dokumentarfilme angeschaut und Spielfilme über die beiden grossen Kriege und das Dritte Reich. Wenn ich das Gefühl des tonnenschweren Schweigens damit verbinde, welches auf meiner Kindheit und Jugend lastete, bekomme ich eine leise Ahnung. Es ist kein Wunder, dass mein Grossvater einem kleinen Mädchen nichts davon erzählen wollte. Es ist kein Wunder, dass niemand mehr daran denken wollte, und alle so schnell wie möglich all das hinter sich lassen und  in die Zukunft schauen wollten.

 

Aber wie kann man denn eine Zukunft aufbauen, ohne zu verarbeiten, was geschehen ist? Wie kann man etwas verarbeiten, über das man nicht sprechen mag, an das man nicht denken mag? So sehr man sich auch anstrengt, es aus dem Bewusstsein zu verdrängen, die Spannung, die man dazu benutzt, hält es fest. Zwar spürt man es nicht mehr direkt, aber unterhalb der Bewusstseinschwelle schwelt es weiter. Man hat sich zusammengerissen und über das Schreckliche hinweggesetzt. Man meint, man hat es hinter sich gelassen. Tatsächlich trägt man es ständig mit sich herum. Da man es in sich selbst nicht mehr erkennen kann, sieht man nur noch den Schatten davon, der auf andere fällt. Man projiziert auf andere, was man in sich selbst nicht aushält. 


Kleine Kinder sind überaus empfindsam. Sie spüren auch das, worüber Erwachsene sich durch Sich-Zusammenreissen hinwegsetzen, was sie durch übermässiges Essen polstern, in Alkohol ertränken und anderweitig betäuben wollen. Kinder fühlen es im eigenen Körper, ohne jegliche Möglichkeit zu verstehen, dass das, was sie da fühlen, eigentlich Empfindungen ihrer Eltern und anderer Erwachsene in ihrem Umfeld sind, die diese nicht ertragen. Eigentlich sind wir alle so empfindsam, nicht nur Kinder. Denken Sie mal daran, wie sie sich gefühlt haben, als sie neben jemandem standen, der wütend war, oder traurig, oder bei jemandem, der Angst hatte. Sie können das tatsächlich in ihrem eigenen Körper spüren. Man nennt es Empathie. Manche Leute haben mehr davon als andere. Persönlich glaube ich, dass manche Leute mehr davon zulassen als andere. Manche Leuten halten es ganz einfach nicht aus, sich selbst zu spüren, geschweige denn andere.



Der Knoten in meinem Bauch ist um einiges lockerer geworden. Ich hatte eine ganze Menge Stress die letzte Woche, aber der Knoten hat sich nicht spüren lassen. Ich bin ganz ruhig geblieben, wo ich mich sonst wahrscheinlich viel mehr aufgeregt hätte. Ich glaube, ich habe so einiges an alter Spannung aus meiner Kindheit dort im Wald lassen können, oder es zumindest in seiner Ausdrucksform verändert.


Dank des Förderkreises für ein Industriemuseum Geesthacht sind viele Gebäude der Stadt inzwischen unter Denkmalschutz, und die noch vorhandenen Belege der Geschichte werden gesammelt. Ein solches Museum ist von grosser Bedeutung. Für viele ist es ein unangenehmes Thema, woran man nur ungern erinnert wird. Darum ist es wahrscheinlich so schwer, die zuständigen Ämter und im Fall des Krümmler Dynamitwerks die schwedischen Firma Vattenfall dazu zu bewegen, den alten Wasserturm herzurichten und zur Verfügung zu stellen, damit dieses Museum darin untergebracht werden kann, ehe noch mehr verloren geht. Wenn es sich auch um ein explosives und wohl peinliches Thema handelt, ist es ganz besonders wichtig, die Erinnerung zu wahren, denn was der Mensch nicht erinnern will, wiederholt er.





Mit den Gefühlen umzugehen, die dabei freigesetzt werden, kann man lernen. Wenn sie aber im Körper bleiben, schwelen sie, bis sie zu Krankheitsherden werden. Selbst wenn sie das schon geworden sind, ist es heilsam und erleichternd, wenn man die Gefühle, die man von frühreren Generation übernommen hat, dort lassen kann, wo sie hingehören, bei den Leuten, denen sie gehören. Das geht bei Empfindung, die ohne Bewusstsein ihrer Herkunft direkt von Körper zu Körper, Geist zu Geist übertragen wurden. Wenn man sie dann im grösseren Zusammenhang des persönlichen und kollektiven geschichtlichen Hintergrundes sieht, kann man vieles verstehen und zur Ruhe kommen lassen.



Es dreht sich hier nicht darum, die Schuld für das eigene Empfinden bei anderen zu suchen oder die eigene Verantwortung abzulehnen. Ganz im Gegenteil, es dreht sich darum, die Verantwortung zu übernehmen, dass zu verarbeiten, was in unserer Macht steht, ob es nun unsere eigenen Empfindungen sind oder solche, die wir von anderen übernommen haben. Es dreht sich darum, dies unterscheiden zu lernen. Empfindungen sind dazu da, um uns über unsere Wünsche und Bedürfnisse zu informieren und deren Grad an Befriedigung. Auf dieser Ebene bringt die Befriedigung egoistischer Wünsche und Bedürfnisse keinerlei Erleichterung, im Höchstfall eine momentane. Auf dieser Ebene der Erfahrung nützt nur die Wahrheit, die gewusst werden will. Die Wahrheit ist, dass alles Lebendige zur selben Familie gehört. Was der Gesamtheit schadet, schafft Leiden. Was ihr nützt, bringt Freude.




Wenn auch diese Laterne kein Licht mehr spendet, möge das Licht des Bewusstseins das Handeln und die Entscheidungen der Menschen erhellen, so dass die Herstellung von Waffen und Munition und schädlicher Produkte jeder Art in der ganzen Welt ab sofort eingestellt wird! Die Bäume erschaffen den Sauerstoff, den wir brauchen, um zu leben. Viele Menschen erschaffen Dinge, die wir brauchen, um gut zu leben. Lasst uns alle so handeln, dass es anderen dabei hilft, auch gut zu leben, damit es uns allen miteinander gut gehen kann.

Mittwoch, 2. September 2015

Nachkommen der Arbeiter und Angestellten der Pulverfabrik in Düneberg

Wie sieht es mit Eurer Gesundheit aus? Und mit der Gesundheit Eurer Eltern oder Grosseltern, die in der Pulverfabrik gearbeitet haben? Waren sie freiwillig dort, froh und glücklich, den Lebensunterhalt für ihre Familien verdienen zu können? Oder waren sie dazu gezwungen, an der Herstellung des Pulvers mitzuwirken? Ist jemand unter Euch bereit dazu, mit mir über diese Dinge zu sprechen? Bitte schreiben Sie mir ein email. Die Adresse finden Sie hier: www.dfa-europa.com.

Eine Gelegenheit für den Austausch von Erfahrungen, Daten und neuen Ideen

A poster session at the third Fascia Research Congress in 2013 at Vancouver

Der erste Faszienforschungskongress in 2007 in Boston ermöglichte es mir, neue Wege zu entwickeln, um das Zusammenspiel von Körper und Geist zu erklären; Wege, die dabei helfen, Ruhe im eigenen Körper zu finden, die Gesundheit zu pflegen und schädliche Bewegungsmuster zu erkennen und Alternativen dazu zu entwickeln. Für mich ist die 4. Ausgabe dieses Kongresses eine Möglichkeit, dies Wissen an die wissenschaftliche und therapeutische Gemeinschaft, die es mir ermöglicht hat, es zu entwickeln, weiterzugeben und sie dazu anzuregen, dieses Terrain tiefer zu erforschen.
Die erklärte Absicht des Faszienforschungskongresses (FFK)  ist genau dies. Er wurde von einem multidisziplinären Kommittee bestehend aus wissenschaftlichen Forschern und im Bereich der Gesundheitspflege Berufstätigen geschaffen, auf der Grundlage des gemeinsamen Interesse an der weichen Matrix der Bindegewebe im menschlichen Körper. Eine wichtige Initiative des FFK ist die Förderung des gegenseitigen Verständnisses und der Zusammenarbeit der Wissenschaftler, die im Bereich der Faszienforschung tätig sind, mit den Anwendern der verschiedenen Methoden, die mit ihrer Arbeit Bindegewebe behandeln. Der FFK bietet eine Umgebung, wo diese so verschiedenartigen Gruppen von einander lernen, ein Verstädnis erlangen, das ihre jeweiligen Tätigkeitsbereiche nährt und bereichert, und Forschung sowie Anwendungsbereiche fördern können.
Der FFK wird grösstenteils durch die Beiträge der Teilnehmer und einiger Förderer aus den Bereichen der Körpertherapien und Bildung finanziert. Er erhält keinerlei Unterstützung von industriellen Grossbetrieben, im Gegensatz zu vielen anderen medizinischen Kongressen.
Der Schwerpunkt der Konferenz liegt auf der Präsentierung der besten und neuesten wissenschaftlichen Forschung aus aller Welt. Der FFK ist eine wertvolle Quelle von Daten, neuen Ideen und für die Schaffung von Netzwerken für den Austausch zwischen Forschern, Medizinern und Therapeuten.
Darum möchte ich am FFK teilnehmen. Ich fühle mich geehrt durch die Anerkennung meiner Arbeit im therapeutischen Bereich, die dazu geführt hat, dass ich dazu eingeladen wurde, ein Abstrakt für ein Poster einzureichen und dies auserwählt wurde.
Brigitte Hansmann
www.dfa-europa.com

Die Beiträge von 45 Kofinanziers haben es mir ermöglicht auf diesem Kongress meine Hypothese auf einem Poster zu präsentieren.
Hier der akzeptierte Abstrakt: http://www.fasciacongress.org/2015/Abstracts/64_Hansmann.pdf
Und hier das Poster selbst: Balancing Myofascial Tone to Improve Tissue Hydration and Acid - Base Homeostasis

Spüre wie die Atembewegungen den Druck deines Körpers gegen die Oberfläche unter ihm verändert


Fühl was unter Deinem Körper ist, dein Bett, ein Stuhl, der Fussboden... Spüre wie die Atembewegungen den Druck Deines Körpers gegen die Oberfläche verändert, mit der er in Berührung kommt. Das Ausatmen ist eine Bewegung der Entspannung. Alle Muskeln, die die Arbeit des Einatmens erledigen, lassen beim Ausatmen los. Gib Dir Zeit, diese Entspannung zu fühlen, die auf der unwillkürlichen Ebene stattfindet, und kultiviere sie. Du wirst spüren, wie Du nach innen ruhst, in die tiefste Tiefe des Lebewesens, das Du bist, und nach unten, auf die Grundlage der materiellen Welt, von der Du ein Teil bist. Nimm Dir am Ende der Ausatmung ein bißchen Zeit, um die Beziehung zu genießen zwischen der Tiefe des Lebewesens, Das du bist, und der materiellen Welt, zu der Du gehörst.
Wenn Du spürst, daß Dein Körper neue Luft braucht, mach einfach auf und laβ sie einströmen. Du wirst feststellen, daß die Bewegung des Einatmens in der Tiefe Deines innersten Wesens beginnen wird. Oft ist dort viel Spannung in dieser Tiefe, unwillkürliche Spannung, die man nicht einfach loslassen kann. Wenn das bei Dir so ist, dann stell Dir ein Linie vor zwischen der verspannten Stelle im Innern Deines Körpers und dem Boden. Auf diese Art und Weise zeigst du dem verspannten Ort in Deinem Körper, wo er Unterstützung finden kann.
Wenn die Einatmung an dieser tiefen Stelle beginnt, spür, wie sie die Verspannung ein klein wenig lockert. Gib Dir Zeit, damit die einströmende Luft auch den Rest Deines Körpers ausdehen kann. Wenn Du genug hast, laβ die Luft einfach wieder raus. Halte sie nicht fest. Dann wirst Du spüren, dass Du diesmal ein wenig tiefer ruhen kannst. So wirst du Atemzug für Atemzug Raum gewinnen und Bewegungsfreiheit und Ansprechbarkeit; und die Verspannung lockert sich. Mit dieser Bewegung nährst und streichelst Du all das im Körper, was schmerzt oder verletzt ist, all das, was liebevolle Zuwendung braucht, um sich zu erholen und zu heilen.
Gemeinsam mit der Luft, die Du ausatmest, laβ alles Unangenehme hinausströmen, Gefühle und Empfindungen, die dir nicht gefallen, all das, was zu intensiv und zu heftig ist, und jeglichen Überschuß an emotionaler Ladung, und vertraue es den Kraftfeldern Deiner natürlichen Umgebung an. Mit der neuen Luft, die Du einatmest, nähre Dein inneres Wesen mit neuer Energie und Bewegung, die Dir dabei helfen, das zu ändern, was sich ändern muß, und zu heilen, was heilen muß.
Wenn Du sitzt, kannst Du spüren, wie die Bewegungen des Atmens Dich allmählich aufrichten wollen, wenn Du Dir Zeit für sie nimmst? Schau, wo Dein Gewicht im Verhältnis zu den Sitzbeinen auf die Sitzfläche fällt. Bei den meisten Menschen ist das ein weniger hinter den Sitzbeinen und der Brustkorb fällt über der Bauchhöhle in sich zusammen, so dass es schwierig ist, ruhig zu atmen und der Bauch ganz zusammengepreβt wird. Geh mal hinein in diese Form und laβ Dich so richtig darin hängen, so dass Deine Wirbelsäule wie ein C gekrümmt ist. Dann geh mit dieser Form des Cs ein wenig nach vorne, so dass Dein Gewicht vor die Sitzbeine fällt. Von da aus gehst Du dann in die entgegengesetzte Form, ein C anders herum, bis  Du zur Decke schaust. Nun richte Deinen Blick genau nach vorne und laβ alle Teile Deines Körpers einfach zum Boden hin ruhen, so wie sie fallen wollen. Das Gewicht Deines Körpers ruht jetzt wahrscheinlich durch die Sitzbeine in den Stuhl, und die Atembewegungen sollten eigentlich einfacher, ruhiger und tiefer flieβen.

Die Eleganz eines im Schwerkraftfeld der Erde ausgerichteten Körpers sieht man sofort


Die Eleganz eines im Schwerkraftfeld der Erde ausgerichteten Körpers sieht man sofort. Für jemanden der es noch nie erlebt hat, ist es jedoch schwierig, sich vorzustellen, wie es sich anfühlt, von der gröβeren Kraft dieses Feldes gehalten zu werden, Raum zu haben, so zu sein, wie man ist, und das Leben kohärent mit dem inneren Wesen und der ganzen Welt zu leben. Groβe Worte, die dem Erlebenis, das höchst wohltuend ist, wenn man sich ihm hingibt, jedoch kaum gerecht werden können. Wer sich davor drückt, die Arbeit zu tun, die dabei entsteht, muβ das ganze Gewicht all dessen, was die unwillkürliche Spannung im Körper festhält, weiter mit sich herumtragen. Die nötige Arbeit zu tun, um es loslassen zu können, lohnt sich in jedem Fall.

Gewebefeuchtigkeit und auf Wesensverwandtschaft beruhende gegenseitige Anziehung (Affinität)


Ein Übermass an unwillkürlicher Spannung trocknet unsere Gewebe aus –Muskeln, Bindegewebe, Knochen. Wenn es uns gelingt, ein bisschen davon loszulassen, können sie wieder Feuchtigkeit aufnehmen.
Der Einladung nachzukommen, die Ergebnisse meiner Forschungen in dieser Hinsicht auf dem 4. Faszienforschungskongress zu präsentieren, bedeutete ein Übermass an Belastung für meine Ökonomie. Darum wollte ich die Entscheidung diesbezüglich dem Schicksal überlassen. Ich war bereit, meine Kenntnisse, meine Arbeitskraft, meine Zeit und mein Wesen einzubringen, aber dank der Entscheidungen unserer Regierungen, die seit einigen Jahren die arbeitende Bevölkerung verarmen, um die Banken zu bereichern, erwirtschaftetet meine Arbeit nicht mehr genug flüssige Einkünfte, um das Vorhaben auch zu finanzieren. Darum wendete ich mich an die Stiftung Goteo, um der Welt einen Weg zu geben, in dem sie mir die nötigen Mittel für die Kongressteilnahme zukommen lassen kann, insofern sie es für wichtig hält, dass ich daran teilnehme. goteo.org/project/cristal-liquido

Tropfen für Tropfen (das ist die Bedeutung des Worts Goteo) haben Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt, Bekannte und Unbekannte, Mittel einfliessen lassen, so dass ich im September nach Washington fliegen kann. Ich fühle mich zutiefst dankbar und gerührt. Der nötige Betrag für die Reise, den Aufenthalt, die Kongressgebühren, Komissionen und Steuern kam rechtzeitig zusammen. Darum wurde automatisch eine zweite Runde eröffnet, um auch den optimalen Betrag zu erreichen. Der würde mein Poster und mich dann auch zur 10. Jährlichen Konferenz über die Physik, Chemie und Biologie des Wasser im Oktober in Bulgarien bringen. Das heisst, wenn Du Affinität zu diesem Projekt verspürst, bis zum 6. September besteht noch die Möglichkeit, Beiträge zur Kofinanzierung zu leisten und es mit anderen Wesensverwandten zu teilen.

Auf Wesensverwandschaft beruhende gegenseitige Anziehung (Affinität)

Letztenendes ist alles eine Frage der Affinität. Aufgrund der Wesensverwandschaft gewisser Substanzen und der daraus entstehenden gegenseitigen Anziehung haben sie sich zu Proteinen zusammengeschlossen. Das geschah wahrscheinlich in Wasser, denn Proteine lieben Wasser. Aufgrund von Affinität ging der Prozess weiter und die Proteine ihrerseits kamen im Wasser zusammen, um immer komplexere Lebensformen zu schaffen. Auch heute noch, Millionen von Jahren später, entsteht neues Leben aufgrund von Affinität. Wenn Du sie spürst, lass sie fliessen. Wenn Proteine und Wasser wollen, dass ich auch nach Bulgarien soll, um dort das Verhältnis unter den beiden zu beschreiben, das uns am besten bekommt, dann werden sie auch für die nötigen Mittel sorgen.

Wenn du Affinität spürst, dann öffnest Du bereits einen Weg, durch den mögliche Mittel fliessen können, ganz einfach nur durch Dein Gefühl der Wesensverwandschaft. Selbst wenn du kein Geld für die Kofinanzierung dieses Projektes hast, trägst Du die Energie Deiner Affinität bei. Fühle Deinen Körper. Mehr als 70% Deines Gewichts sind Wasser. Spüre wie das Gewicht Deines Körpers in Beziehung zur materiellen Welt steht. Es gibt eine ständige Fluktuation in dieser Beziehung durch die Bewegungen Deines Atmens. Folge der Bewegung der Entspannung beim Ausatmen und gewähre Dir einen Moment der Ruhe in der Tiefe des Lebewesens, das Du bist, und in der materiellen Welt, von der Du ein Teil bist. Dieser Moment der Ruhe wird dann in eine grosszügige Einatmung übergehen, die die Begrenzungen Deines Spannungsmusters ausdehnt, wenn Du auch dieser Bewegung Zeit und Raum gewährst. Auf diese Art machst Du bereits einen Beitrag zu meinem Projekt.

Das Übermass an unwillkürlicher Spannung lockern

Wir sind alle Teil der selben Welt, des selben Lebens. Das Übermass an unwillkürlicher Spannung hindert uns daran, dies direkt zu erfahren und in dieser Erfahrung zu ruhen. Das Problem ist, dass wir uns mit dem Übermass identifizieren. Wir glauben, dass wir so sind und dass die Welt so ist, wie wir sie durch den Filter der Spannung wahrnehmen. So bereit wir auch sein mögen, die Spannung zu lockern, die uns in einschränkenden und sogar destruktiven Mustern gefangen hält, tief verwurzelt in unserem Organismus ist die Angst, das Leben zu verlieren, wenn wir loslassen.

Annie B. Duggan und Janie French, die Schöpferinnen des Duggan/French Approach (DFA) zur Somatischen Mustererkennung entwickelten eine manuelle Intervention, die dabei hilft, diese Spannung in einem sicheren Umfeld zu lösen. Sie gibt dem Organismus die Möglichkeit zu erfahren, wie es sich anfühlt, sich mit weniger Spannung und mehr Unterstützung, Bewegungsfreiheit und Ansprechbarkeit zu bewegen und untersucht mögliche Einwände der Psyche. Ein ausgewogener Muskeltonus, das heisst, unwillkürliche Spannung im rechten Mass, schafft gute Voraussetzungen dafür, sich um die Angelegenheiten, die das Übermass unter die Bewusstseinschwelle verdrängt hatte, kümmern zu können. Viele Angelegenheiten benötigen nichts weiter, als dass die Botschaft, die von der Spannung gehalten wurde, in Empfang genommen und verstanden wird. Manche Dinge erfordern eine Handlung oder eine Stellungnahme im Bezug auf gewisse Geschehnisse der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft.

DFA Sitzungen schaffen einen sicheren Rahmen dafür, das Übermass an unwillkürlicher Spannung mit Hilfe der manuellen Intervention zu lösen, die Sprache des Körper verstehen zu lernen und zu entdecken, was Du brauchst, um Dich wohl zu fühlen. Hier ist die Spannung auch ein Führer. Wenn die Wahrheit ausgesprochen wird, löst sich die Spannung, und die Dingen fallen durch ihr eigenes Gewicht.

Die Spuren der Geschichte im Körper

Kinder spüren in ihrem eigenen Körper was Erwachsene durch die Spannung ihrer Muskeln unterhalb der Bewusstseinsschwelle halten. Sie wissen nicht, was sie da spüren, und auch nicht, dass sie etwas wahrnehmen, was sich im Körper ihrer Eltern oder Grosseltern befindet. Sie spüren es in ihrem eigenen Körper, als ob es Teil ihrer selbst wäre. So kommt es, dass neben der genetischen Vererbung durch direkt von Körper zu Körper, Geist zu Geist übertragene Empfindungen die Spuren der Geschichte von Generation zu Generation weitergegeben werden. Am 21. - 23. August erforschen wir die Spuren, die die Erfahrungen unserer Eltern und Grosseltern in unserem Körper hinterlassen haben in einem Seminar in ermie in Barcelona. Zwei Plätze sind noch frei.

Den inneren Kompass finden

Manchmal muss man den Kurs prüfen, dem das Leben folgt, sei es um die Richtung zu halten, sie genau auszurichten oder einen neuen Kurs einzuschlagen. Wenn man im eigenen Wesen und in der materiellen Welt, von der man ein Teil ist, ruht, findet man einen Kompass, der es ermöglicht, sich an der eigenen inneren Erfahrung und den Koordenaten der Aussenwelt auszurichten. Am 25. - 27. September, dem Wochenende, an dem Katalonien sich orientieren und den Kurs feststellen wird, dem die Bevölkerung folgen möchte, werden wir unseren inneren Kompass finden in einem Seminar in ermie in Barcelona. 6 Plätze sind noch frei.

Beziehungen in warmem Wasser

Das Übermass an unwillkürlicher Spannung hält das kleine „Ich“, das wir unter den anfänglichen Bedingungen unseres Lebens geschaffen haben, in der ständigen Wiederholung der selben Abläufe gefangen, mit unterschiedlichen Hintergründen und Verkleidungen, aber stets dem selben Gefühlston, den selben Ergebnissen. Wenn es einem gelingt, das Übermass ein klein wenig zu lösen, kann man die Beziehungen zwischen den verschiedenen Teilen des Körpers und zwischen dem Körper und der Umgebung erkennen. So werden die von der Spannung ausgetrockneten Gewebe sozusagen im warmen Wasser der liebevollen Zuwendung gebadet, und man kann sich tief entspannen und säubern. Im wahrsten Sinne des Wortes gewinnen die Gewebe so die von ihnen benötigte Feuchtigkeit zurück, und sauerstoffreiches Wasser erneuert die übersäuerte Restfeuchtigkeit. Wir erforschen, wie sich das auf die Beziehung der Person zu sich selbst und zu ihrer Umgebung auswirkt, in einem Seminar im Midline Institute in Barcelona am 20.-23. November.

Weitergabe der Wesensverwandtschaft

Vielen Dank für Dein Interesse. Wenn du bis hierher gelesen hast, ist das eindeutig ein Zeichen dafür, dass Du Dich zu der Idee hingezogen fühlst, dass wir den Teil der Welt, der in unserer Reichweite ist, so handhaben könen, dass Kommunikation und gegenseitige Hilfe gefördert werden. Durch die Beziehung zur Tiefe unseres Wesens und der materiellen Welt, von der wir ein Teil sind, findet das kleine „Ich“ seinen Platz, an dem es seine Fähigkeiten und Talente entwickeln und ein glückliches und zufriedenes Leben führen kann.
Es ist eine Frage der Übung und einer bewussten Entscheidung. Ich übe seit beinahe 30 Jahren und es ist inzwischen einfach, aber trotzdem muss ich immer wieder dafür sorgen, ein wenig Spannung zu lockern, um die Unterstützung des Planeten und die Verbindung mit allen Lebewesen, die ein Teil davon sind genau wie ich, spüren zu können. Wenn ich es nicht tue, trennt mich das Übermass an Spannung vom Rest der Welt, die Anstrengung ist höcht mühselig und das allgemeine Gefühl ist nicht besonders befriedigend. Ich schaffe niemals alles nötige zu tun, und die anderen auch nicht. Andererseits, wir alle zusammen... was für ein wunderbares Erlebnis!
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dfa-europa.com

Montag, 31. August 2015

Spannung, Wasser und Spuren der Geschichte

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Die letzten Tage im August... Das Poster über das Übermass an unwillkürlicher Spannung und das Wasser, welches die Gewebe des Körpers flexibel und geschmeidig hält ist beim Graphikdesigner... die Erforschung der Spuren der Geschichte im Körper am letzten Wochenende hat die Teilnehmer Wurzeln erkennen lassen, die sich tief in die Erde erstrecken, Körper und Seele nähren und ihnen dabei helfen, sich um Angelegenheiten zu kümmern, die darauf warten erledigt zu werden, sei es im persönlichen Bereich oder im Bereich der Vorfahren, und anderes loszulassen, weil es sie im Grunde genommen gar nichts angeht.

Bevor ich am 17. September nach Washington zum Faszienforschungs-Kongress fahre, um dort das Poster zu präsentieren, werde ich in meine Heimatstadt in Norddeutschland fahren, nach Geesthacht, um dort an einem geschichtlichen Spaziergang durch die Gelände der Pulverfabrik teilzunehmen, die dort bis 1945 war. Der Titel: Deutsches Pulver für die Welt, organisiert vom Förderkreis für ein Industriemuseum in Geesthacht, bei dem ich Mitglied bin.


Ich folge dabei den Spuren der Geschichte in meinem eigenen Körper. Vor ein paar Jahren erfuhr ich, dass mein Grossvater im zweiten Weltkrieg Dienst als Offizier der Wache in dieser Fabrik geleistet hat. Das war nicht freiwillig. Wenn er sich geweigert hätte, wäre er wahrscheinlich vor ein Kriegsgericht gestellt und wegen Hochverrat hingerichtet worden. Von all dem wusste ich bis vor kurzem nichts. Ich hatte sein Photo in Wehrmachtsuniform wohl schon mal gesehen, aber ich wusste überhaupts nichts darüber, wie er am Krieg teilgenommen hatte, eigentlich war es mir immer so erschienen, als hätte er überhaupt nicht teilgenommen. Das war ein blinder Punkt. Gottseidank konnte eine Tante mir aufgrund von Kindheitserinnerungen erklären, warum mein Grossvater diese Uniform trug. 

Von dem Moment an begann ich, eine ganze Reihe von Geschehnissen in meiner Famile in einem weiteren Kontext zu verstehen und ein Bild nahm Gestalt an, so als ob die Teile eines Puzzles auf einmal zusammenpassten. Ich war oft mit meinem Grossvater in dem Wald spazieren gegangen, in dem diese Fabrik versteckt gewesen war. Ich kann mich nicht erinnern, dass er mir je irgend etwas über die ausgebombten Bunker gesagt hätte, die wir dort sahen, oder über die Erlebnisse, die er einige Jahre vorher auf genau diesen Wegen gehabt hätte. Ich war sowieso vielmehr daran interessiert, was das für ein Baum war, was für ein Kraut dort wuchs, wie man jenen Vogel nannte... Diese Dinge erzählte er mir. Ich habe ihn sicherlich nicht nach jenen anderen Dingen gefragt, weil ich wohl spürte, dass ich dadurch an Dinge rühren würde, über die er nicht bereit war zu sprechen. Woran ich mich mehr als alles andere erinnere, ist das Schweigen, das zwischen uns herrschte. Es war kein geruhsames Schweigen. Aber das wusste ich damals nicht. Es war eben normal. Es war ein Schweigen, dass tonnenschwer auf uns lastete.

Tatsächlich habe ich mich, sobald ich konnte, aus dem Staub gemacht und bin 800 km entfernt zur Uni gegangen, um Angewandte Sprachwissenschaften zu studieren, und als ich damit fertig war, habe ich mich 2000 km weit entfernt niedergelassen. Ich brauchte Abstand, um Perspektive zu gewinnen... und einen anderen Beruf, der mir dabei helfen konnte zu verstehen, was zwischen mir und meiner Familie, meinem Land und der Welt insgesamt vorging. Dank dieses neuen Berufs, dem Duggan/French Approach zur Somatischen Mustererkennung, wird die Faust, die ich auch heute noch, gerade jetzt, in meinem Magen spüren kann, als die Faust erkenntlich, mit der mein Grossvater all die Gefühle festhielt und auf engsten Raum zusammendrückte, die er sich nicht leisten konnte als Wache der Zwangsarbeiter aus besetzten Ländern und wahrscheinlich auch der Insassen des naheliegenden Konzentrationslagers, die dort arbeiteten, um das Schiesspulver herzustellen, dass so viele Menschen in aller Welt getötet und verletzt hat. Die Machlosigkeit angesichts von Gewalttätigkeit und Ungerechtigkeit traumatisiert auch den Zeugen, wahrscheinlich nicht genau auf die selbe Art und Weise wie die Opfer, aber genauso unauslöschlich. Und wenn man sich darum nicht kümmert, wird es zum Nährboden für Wiederholungen.

Im Familienbereich geschieht es auf die selbe Art und Weise. So zum Beispiel verspürt ein kleines Mädchen, dass sieht, wie der Vater ihren Bruder willkürlich verprügelt und wie die Mutter zu viel Angst hat, um ihren Sohn vor dem Missbrauch des Vaters zu schützen, die selbe Machtlosigkeit wie ein jeder angesichts des organisierten Terrors, ob er nun vonseiten des Staates kommt, einer fundamentalistischen Organisation, aus dem Bereich der Wirtschaft, von kriminellen Gruppen, oder aus politischem Widerstand, in Film und Fernsehen gezeigt wird, von Kindern ausagiert wird, die in der Schulen andere tyrannisieren in der Folge der ungelösten Traumata der älteren Generationen, oder von Kollegen ausgeübt wird, die andere am Arbeitsplatz schikanieren.

Fünfzig tote Flüchlinge in einem Lieferwagen für Lebensmittell, zwanzig Leute erstickt im Laderaum eines Frachters, beinahe jeden Tag ein Schiffbruch, ein ständiger Fluss von täglich Tausenden von Flüchtlingen... Es ist ein anderer Krieg, es sind andere, die diesen Krieg führen. Aber ist es wirklich eine anderer Krieg, sind es wirklich andere Leute? Ich glaube niemand kann die Nachrichten sehen, ohne die selbe Faust im Magen zu spüren wie mein Grossvater in dem Versuch, der Machtlosigkeit und dem Terror so wenig Platz wie nur irgend möglich zu geben angesichts des eskalierenden Leidens, das in so vielen Menschen zum Ausdruck kommt. Es liegt in unserer Natur, für den Gefühlszustand anderer empfänglich zu sein. Wir sind mitfühlend und solidarisch von Natur aus. Wenn jemand das nicht spürt, dann ist das, weil er, ohne es zu wissen, seine Muskeln anspannt, um den Fluss der Empfindungen, die er nicht aushält, zu unterbrechen. Von unterhalb der Bewusstseinschwelle wird die Angst vor diesen Empfindungen immer grösser und bringt immer mehr Gewalttätigkeit und immer mehr Opferhaltung hervor.

Was können wir also tun? So machtlos ich mich auch fühle, was ich weiss, ist es, wie man ein Verhältnis zu dieser Faust herstellen kann.

-    Ich achte ständig darauf, die Stellung meines Körpers zu finden, in der ich den Boden unter der Faust spüre, um ihr zu zeigen, das Unterstützung durch eine höhere Kraft (die Schwerkraft, das Kraftfeld von Mutter Erde) zur Verfügung steht.

-     Ich folge der Richtung der Bewegung des Ausatmens und gehe in den engsten Mittelpunkt der Faust hinein, um dort zu ruhen und ohne Angst und Widerstand die Unterstützung der Erde anzunehmen, die selbst an dieser engsten Stelle zur Verfügung steht, wo eine Vielzahl von schwierigen Gefühlen auf engsten Raum zusammengedängt ist, so dass ich sie fliessen lassen kann, eins nach dem anderen, um Platz für den nächsten Schritt zu machen.

-    Mit der Unterstützung des Bodens warte ich darauf, dass die Bewegung des Einatmens an dieser Stelle beginnt und sie ausdehnt.

-    Ich gebe der Bewegung der Ausdehung beim Einatmen Zeit, bis ich spüre, dass sie meinen ganzen Körper ausdehnt, von der engsten Stelle in der Mitte der Faust bis hin zur Oberfläche, von Kopf bis Fuss, auf beiden Seiten und vorne genauso wie hinten.

-    Ich lass die Luft wieder hinausfliessen und übergebe dabei mein ganzes Gewicht an den Boden, das Gewicht meines Körpers genauso wie das Gewicht all der Dinge, die auf mir lasten... ich geh dabei wieder in die engste Stelle der Faust hinein, die jetzt ein klein wenig weniger zusammengespresst ist... und ich spüre die Machtlosigkeit angesichts des Ausmasses des Leidens, die Wut über diejenigen, die dies Leiden aus purer  Unwissenheit schaffen und die Angst vor ihrer Gewalttätigkeit, all die Gefühle also, die die Faust festhält und auf engsten Raum zusammendrückt; denn all das ist es, was es loszulassen gilt. Die Machtlosigkeit, das Leiden, die Wut, die Unwissenheit, die Angst und die Gewalttätigkeit, all das habe auch ich in mir; und ich kann es nur loslassen, wenn ich es auch spüre. Denn wenn ich es nicht fühle, wie soll ich dann wissen, was ich loslassen muss?

-    In Verbindung mit der Erde unter meinen Füssen, mit meinem Stuhl und dem Raum um mich herum, der sich durch das ganze Universum erstreckt, lasse ich gemeinsam mit der Luft,die ich ausatme, meinen Wunsch fliessen, dass diejenigen, die das Leiden all dieser Leute schaffen sich bewusst werden, dass sie nicht nur anderen sondern auch sich selbst schaden und damit aufhören.

-    Ich stelle mein Wesen, meine Talente und meine Fähigkeiten in den Dienst des Lebens in all seiner Schönheit, um dabei zu helfen, eine Welt zu schaffen, in der alle Lebewesen die Schönheit des Lebens voll geniessen können.

Wenn ich in ein paar Wochen in Geesthacht bin, möchte ich gern eine Gelegenheit finden, um herauszufinden, was für eine Wirkung die Arbeit in der Schiesspulverfabrik auf die Gesundheit der Leute hatte, die freiwillig dort gearbeitet haben und auf die Gesundheit ihrer Angehörigen. Ich weiss, dass ich eine gute Gesundheit habe, weil ich daran gearbeitet habe, mein Unwohlsein zu verstehen und herauszufinden, was ich jeweils brauchte, um die Faktoren, die meine Gesundheit beeinträchtigten, soweit möglich in Ordnung zu bringen, wenn sie sich bemerkbar machten. Im Rückblick kann ich jetzt sehen, dass viele dieser Faktoren ihren Ursprung in der Familiensituation hatten, die auf den Gefühlszustand meines Grossvaters in der Folge der Traumata von zwei Weltkriegen, des Wahnsinns des Regimes und der Teilnahme an der Herstellung schädlicher Substanzen zurückzuführen waren. Er sah sich gezwungen, teilzunehmen. Wie war es wohl für Leute, die froh und glücklich waren, eine Arbeit zu haben und ihre Familie ernähren zu können, indem sie das Schiesspulver herstellten, mit dem soviele Menschen in aller Welt getötet und verletzt wurden? Was meine eigene Gesundheit angeht, wenn ich nicht die innere Arbeit während all dieser Jahre geleistet hätte, wäre ich mit aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr am Leben, oder zumindst sehr krank. Aber hier bin ich, glücklich und dankbar und bei guter Gesundheit.

Das Projekt des Posters über das Übermass an unwillkürlicher Spannung und das Wasser, welches die Gewebe des Körpers flexibel und geschmeidig hält, https://goteo.org/project/cristal-liquido?lang=de endet am Dienstag, dem 6. September. Nach diesem Datum ist es nicht mehr möglich weitere Beiträge zu leisten. Die Webseite des Projekts bleibt jedoch weiterhin bestehen und ist jedem zugänglich, der die Materialien einsehen oer benutzen möchte, die ich im Juni, Juli und August für dies Projekt erarbeitet habe, mit Ausnahme einiger Bilder, die ich bei Beendigung des Projekts aus dem Netz nehmen muss. 

Ich danke Dir für Dein Interesse und Deine Unterstützung.

Mit herzlichen Grüssen,
Brigitte Hansmann

Auf der Spur der Geschichte im eigenen Körper

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Wie kommt es, dass Menschen oft gerade die Dinge wiederholen, die sie eigentlich ganz anders machen wollten als ihre Vorgänger? Wie kommt es, dass so viele deutsche Bürger in das selbe Sündenbockverhalten verfallen, das die wohl dunkeltsten Aspekte der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts wieder in Szene zu setzen? Ich schreibe hier über Deutschland, weil ich Deutsche bin, aber Menschen aller Nationalitäten verfallen in die Wiederholung unbewusster kollektiver Dynamiken, es sei denn, sie kümmern sich darum, sie zu Bewusstsein zu bringen.

 Foto © 2005 Olof von Randow
Es ist nicht einfach, nach innen zu schauen und sich mit den eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen. Noch viel schwieriger ist es, wenn es sich um Gefühle handelt, die von früheren Generationen übernommen wurden. Für all diejenigen, die die beiden Weltkriege und das Dritte Reichs erlebt haben, ging es zunächst einmal darum zu überleben, und dann den Horror so schnell wie möglich hinter sich zu lassen. Man setzt sich über vieles hinweg, hüllt es in Schweigen und das Leben geht weiter. Doch bleiben Spuren zurück, die zu Symptomen werden und krank machen bzw. sich in destruktive Verhaltensweisen verwandeln, solange sie nicht erkannt und auf wirksame (Be-)Handlungen hingeleitet werden.

Verdrängter posttraumatischer Stress, Angst und verleugnete Scham und Schuld haben in der Folge des ersten Weltkrieges die Bedingungen fürs Dritte Reich und den Zweiten Weltkrieg geschaffen. Wem ein Pfund Schuld unerträglich war, auf dem lastete dann eine Tonne. Wenn man Gefühle verdrängt und nach aussen auf einen  Sündenbock projiziert, werden Schuld und Scham noch grösser, und  man läuft Gefahr verdrängte Dynamiken zu wiederholen. Menschen wiederholen, was sie nicht erinnern wollen.

Wenn man sich schämt, weil man etwas schlechtes getan hat, das ist gesund, denn es führt zu einer Berichtigung des Fehlverhaltens. Wenn man sich aber schämt dafür, was oder wie man ist, das ist toxisch, stark gesundheitsschädlich. Was Erwachsene durch die unwillkürliche Anspannung ihrer Muskeln unter die Bewusstseinsschwelle verdrängen, empfinden Kinder ganz direkt in ihrem eigenen Körper. Sie haben keinerlei Möglichkeit zu verstehen, dass sie eigentlich die Empfindungen wahrnehmen, die ihre Eltern oder Grosseltern nicht ertragen. Sie wissen nur, dass es sich höchst unangenehm und bedrohlich anfühlt. Und da diese Empfindungen sich im eigenen Körper befinden, scheinen sie zum eigenen Wesen dazuzugehören. Darum wird auch diese Generation alles daran setzen, diese Empfindungen unterhalb der Bewusstseinsschwelle zu halten. Die Folge: Krankheitssymptome, Krankheit, destruktive Verhaltensweisen, usw. Generation nach Generation.

So kommt es, dass Menschen, die zum Zeitpunkt der Geschehnisse noch überhaupt nicht auf der Welt waren, die Spuren der Angst, der Schuld und Scham in ihrem Körper haben. Im allgemeinen will keiner mit der ganzen Geschichte etwas zu tun haben. Manche glauben sich sogar dazu berechtigt, die eigenen Vorfahren zu verturteilen. Schliesslich haben sie da ja nicht mitgemacht!  Auch von Leuten,  die im Dritten Reich Kinder waren, kann man wohl kaum sagen, dass sie Schuld an den Geschehnissen hatten.

Aber wer in Deutschland geboren wurde, und noch dazu von deutschen Eltern, gehört unweigerlich zum deutschen Volk dazu. Das ist unabänderlich, solange man lebt. Je mehr man sich gegen die damit zusammenhängenden Umstände wehrt, um so mehr Macht gewinnen sie über einen. Abgesehen von den unverarbeiteten Traumata, die genetisch übertragen werden, wird in den ersten Lebensjahren vieles direkt von Körper zu Körper, Geist zu Geist, durch Empfindung übertragen. Was ein Erwachsener durch Muskelspannung unter die Bewusstseinsschwelle drängt, wird vom Kind ganz einfach in der gleichen Form übernommen.  Und so wächst man auf und wehrt sich gegen etwas und verdrängt etwas, von dem man noch nicht einmal weiss, was es ist. Im Grunde genommen merkt man noch nicht einmal, dass man überhaupt etwas verdrängt und sich gegen etwas wehrt. Es ist ja schliesslich ganz normal, war immer so.

Solche Empfindungen befinden sich unterhalb der Bewusstseinsschwelle bei einem grossen Teil der von Kriegen und Gewalt gebeutelten Menschheit, ganz besonders auch der deutschen Bevölkerung, und werden meist nach aussen auf andere projiziert. Man kann Zugang zu diesen Gefühlen gewinnen und es lernen, die von früheren Generationen übernommene Gefühlsladung dort zu lassen, wo sie hingehört, und sich um die Dinge zu kümmern, die tatsächlich zum eigenen Erfahrungsbereich gehören.   

Spätestens in der zweiten Lebenshälfte machen sich die Dinge bemerkbar, die man  -ohne es zu wissen- in der ersten geopfert hat, um sich einen Platz in der Welt zu erobern. Ein Kind stellt sich liebend voll und ganz auf die Resonanz seines familiären Umfelds ein. Das kann bedeuten, dass ein wahrer liebevoller Austausch unmöglich ist, weil Eltern und Grosseltern unter Schock stehen, vor Angst erstarrt sind, sich aufgrund der kollektiven Schuld zu Tode schämen, und ihr Organismus sich automatisch über die unerträglichen Gefühle hinwegsetzt. Liebevolle Fürsorge wird zu blosser Pflichterfüllung, nicht weil die Liebe nicht da ist, sondern weil sie nicht fliessen kann.

Bei manchen vom Leben Erwählten wird die Aufmerksamkeit schon früher darauf gelenkt, dass etwas nicht stimmt. Machmal sind es die Symptome von Krankheiten, die es verhindern, dem bisherigen Kurs weiter zu folgen, oder zerstörerische Verhaltensweisen, wie Sucht (auch Arbeitssucht), Gewalttätigkeit und Machtmissbrauch, oder das dazugehörige Spiegelbild der machtlosen Opferhaltung. Doch kommt kaum jemand auf den Gedanken, dass es sich dabei um Spuren der kollektiven Geschichte handeln könnte.  Jeder einzelne Mensch trägt die Geschichte seiner Familie, seines Landes und der ganzen Menschheit in sich, ja selbst die Geschichte der Entstehung des Lebens und des Universums an sich, und kann daraus neues Leben und neue Erkenntnisse schöpfen.

Entwicklung erfolgt immer in Etappen, Schritt für Schritt. Vielleicht kann man mal einen grösseren Schritt tun, manche Schritte sind möglicherweise kleiner, aber jeder einzelne Schritt ist wichtig. Wenn wir uns einen sparen wollen, stolpern wir. Wenn wir die Hinterlassenschaft unserer Vorgänger nicht in Betracht ziehen, wird sie uns an der nächsten Ecke entgegen kommen. Zwar können wir die Schuld auf andere schieben, aber einer Lösung der Problematik kommen wir so nicht näher. Ganz im Gegenteil!

Der Körper jedes Menschen ist ein Teil seines Landes und seines Volkes. Ein jeder kann es lernen, den eigenen Körper in Einklang mit den grösseren Kraftfeldern der Welt zu bringen. Solange wir auf Abwehr ausgerichtet sind, selbst wenn es Abwehr der Ungerechtigkeit, Ausbeutung und Gewalttätigkeit ist, sind wir auf diese Dinge ausgerichtet und stehen unter ihrem Einfluss. Wenn wir uns aber an den Koordenaten der Schwerkraft ausrichten, gewinnen wir an Stabilität und Stärke, denn jegliche Handlung kann dann mit der Unterstützung des gesamten Planeten vonstatten gehen.

Solange unser Verhalten von unbewussten Mustern bestimmt ist, die wir zum Teil selbst entwickelt haben und zum Teil von unserem direkten Umfeld übernommen haben, sind wir wie besessen und können nicht wirklich klar denken. Wenn wir diese Muster aber erkennen, können wir an dem arbeiten, was wirklich uns gehört, und daran, die alten Geschichten dort zu belassen, wo sie hingehören, wo wir sie sehen und von ihnen lernen können.

Ich gebe zu, dass dies keine leichte Aufgabe ist. Aber sie hegt und pflegt die Gesundheit des eigenen Körpers, der eigenen Psyche und auch die der Gesellschaft, der gesamten Menschheit und der Natur im Allgemeinen.

Man kann in der Tiefe des eigenen Körpers die Spuren der Geschichte entdecken, die der Entwicklung des Einzelnen und der Gemeinschaft im Wege stehen, und sie in den Dienst der Entwicklung wirksamer Alternativen nehmen.

Die Teilnehmer des Seminar "Auf der Spur der Geschichte in eigenen Körper“ erforschen ihre Muster durch ganz gewöhnliche Bewegungen des täglichen Lebens: Atmen, Liegen, Sitzen, Stehen, Gehen und sich Mitteilen, jeder für sich in geleiteten Sequenzen und in Experimenten mit einem Partner, in kleinen Gruppen oder in der gesamten Gruppe. Der theoretische Teil liefert die nötige Information, um die Mechanismen des Traumas zu verstehen, sowie die Muster, die im Umfeld des Traumas entstanden sind, und zu entdecken, wie sie sich im Verhältnis zwischen dem Körper und dem Schwerkraftfeld der Erde bemerkbar machen.

Das Format des Seminars liefert Erfahrungen und Kenntnisse, die für Tätige im Bereich der physichen und psychischen Gesundheitspflege, der Erziehung, der Kunst, des Unternehmens, des Sports und für viele andere von Wert sind, erfordert jedoch keinerlei Vorkenntnisse. Eine grundlegende Voraussetzung ist die Bereitschaft, ein gewisses Maβ an Empfindungen zuzulassen, so daβ es möglich wird, den Fluβ der Empfindungen im Körper wahrzunehmen, unabhängig davon, ob diese nun angenehm oder unangenehm sind, und es zu lernen, den Fluβ zu regulieren, denn nur so kann man sich wirksam um die Teile seiner selbst, die im Konflikt mit den Kraftfeldern der Welt gefangen sind, kümmern. Das Seminar liefert die nötigen Werkzeuge, um diese Art der Empfindsamkeit zu entwickeln, selbst wenn die Teilnehmer viel Energie darauf verwendet haben, ihre Empfindungen zu unterdrücken und sich nicht dazu in der Lage fühlen, ihren Körper wahrzunehmen.


Mehr Information und Kontakt: www.dfa-europa.com