Samstag, 25. November 2017

Unterstützung für die legitime Regierung von Katalonien


Sehr geehrte Srs. President, Vicepresident, Consellers, Conselleres der legitimen Regierung von Katalonien im Exil und im Gefängnis!

Ihr verkörpert die institutionelle Grundlage für die Schaffung der neuen Republik. Ihr habt den rechtlichen Rahmen geschaffen für ihr Entstehen. Vielen Dank für Euren Mut und Eure Hingabe!

11.11.2017

Das Volk hat das Lichterschwert des Bewusstseins und des Unterscheidungsvermögens für alle Welt sichtbar gemacht. Es dring ins Innere der Menschheit ein und befruchtet den Samen der Freiheit, den ein jeder in sich trägt. Ich weiβ nicht, wie lang die Entstehung einer Republik dauert, aber da sie ja menschlicher Natur ist, sollte man, glaube ich, von mindestens neun Monaten ausgehen.

Wir wollen euch in Freiheit wissen, ohne Anklagen, um gemeinsam für diesen organischen Prozess der Entstehung einer neuen Art des Zusammenlebens in Respekt und Würde für alle arbeiten und sorgen zu können.

Während der spanische Staat darauf besteht, der Welt sein faschistisches Anlitz zu zeigen, indem er Euch im Gefängnis und im Exil hält, sorgt bitte für Eure Gesundheit: ruht Euch aus, macht Gymnastik, trinkt immer genug Wasser, lest, schreibt, träumt, ...

Ich weiβ nicht, was wir tun könnten, um Eure Freiheit umgehend zu erwirken, aber mir ist klar, daβ jeglicher Kampf gegen das Böse es mit Energie füttert, wie eine uralte Weisheit lehrt; wenn man dem Bösen keine Energie zukommen lässt, wird es sich von selbst verzehren. Während dessen ist es angesagt, die eigene Energie auf einen kraftvollen Fortschritt im Guten auszurichten.

Ein kraftvoller Fortschritt im Guten heiβt für mich, zusammenarbeiten; es heiβt, die Art der Republik in der wir leben wollen, ersinnen und erschaffen.

Aus der tiefsten Tiefe meines Herzens: vielen Dank!
I visca la terra!

Brigitte Hansmann
www.dfa-europa.com

Donnerstag, 19. Oktober 2017

Vereinigung und Unabhängigkeit

Wieso bist Du für die Unabhängigkeit? Du bist doch gar ncht hier geboren!          

Ich habe zwei Gründe: Erstens haben die Katalanen mich immer wie eine Katalanin behandelt, und das hat mich überzeugt.  Zweitens hat der spanische Staat mich immer wie eine Katalanin missshandelt, und so habe ich mich entschieden

(en català aquí)           en castellano aquí
Wie ist es möglich, daβ Menschen, die nach Frieden und Vereinigung der Menschen streben, sich für die Unabhängigkeit eines Landes einsetzen? Wollen wir nicht eigentlich vereinen statt zu trennen? Für jemanden, der die katalanische Geschichte, das katalanische Volk und die katalanische Gegenwart innerhalb Spaniens nicht oder nur oberflächlich kennt, ist das allerdings schwer nachvollziehbar. All das hier in einem begrenzten Rahmen abzuhandeln ist unmöglich. Aber ein Vergleich könnte die Angelegenheit veranschaulichen.

Stellen Sie sich eine Ehe vor zwischen einem katholischen Mann und einer katholischen Frau, also ein unlösbarer heiliger Bund zweier Menschen. Bei der Heirat ging der gesamte Besitz der Frau in die Hände des Mannes über. Nach ein paar Jahren verweigert er ihr das Recht, über ihre eigenen Belange zu entscheiden: du gehörst mir und das, worüber du entscheiden willst, auch. Da hast du gar nichts zu sagen. Von deinen Groβeltern, deinem Vater und deinem groβen Bruder kannst du keine Unterstützung mehr erwarten, die habe ich bereits umgebracht. Wenn du weiter meckerst, werde ich auch deine Mutter und deine anderen Geschwister umbringen.

Die Jahre vergehen, und da die Mutter in hohem Alter inzwischen verstorben ist, will die Frau diese Ehe nun beenden. Von ihren Geschwistern wird sie  in diesem Bestreben unterstützt. Der Mann will davon nichts wissen, sperrt ihre Konten, schlägt sie zusammen, verleumdet sie und sperrt sie ein. Seinen Stammtischgefährten ist sein Verhalten zwar unangenehm, aber sie reden von nichts anderem als dem unlösbaren Bund der heiligen Ehe, an den man sich schlieβlich halten muβ, und daβ die Schwierigkeiten doch im Privatleben des Paares gelöst werden sollten. Eines Tages rutscht es einem der Stammtischbrüder aber doch heraus: wenn man die Rechtmäβigkeit der Ansprüche der Frau anerkennen würde, würden vielleicht auch die Ehefrauen der anderen Stammtischbrüder dem Beispiel dieser Frau folgen wollen.

Rechtmäβig ist der Anspruch Spaniens auf Katalonien keinesfalls. Die Annulierung eines Bundes unter derartigen Umständen sollte eigentlich reine Formsache sein. Die hauptsächliche Schwierigkeit liegt darin, daβ Spanien einerseits die Andersheit Kataloniens leugnet, sich aber andererseits ständig von ihr bedroht fühlt. Die Katalanen haben eine ganz andere Kultur als die Spanier; das ist ganz offensichtlich für jeden der sich die Zeit nimmt, hinzuschauen. Katalanen folgen dem Grundsatz: wenn man miteinander redet, kann man einander verstehen. Das heiβt, sie können auch zuhören, um zu wissen, mit wem sie umgehen, und was für andere wichtig ist. Möglicherweise haben sie die Kunst des Verhandelns entwickeln können, weil Spanien es ihnen verboten hatte, an der Eroberung Amerikas teilzunehmen, für die beinahe der gesamte Waldbestand der iberischen Halbinsel abgeforstet wurde, um Schiffe zu bauen und „El Dorado“, die güldene Stadt, zu finden. Viel fruchtbarer Boden ging ohne Waldbestand durch Erosion verloren, so daβ die Erde unter einer starken Tendenz zur Verwüstung leidet. Brandstiftung, um die Freigebung von Böden zur Bebauung zu erwirken, trägt in modernen Zeiten ein weiteres dazu bei.

Die ständigen Versuche, die Kultur Kataloniens zu unterdrücken und die Kultur Spaniens mit Gewalt dort durchzusetzen, machen den spanischen Anspruch auf Katalonien zum Anspruch eines Eroberers auf eine Kolonie. Tatsächlich ist Katalonien nie wirklich zu einem Teil von Spanien geworden, auch nicht von spanischer Seite gesehen. Man braucht sich nur anzuschauen, was die Spanier im Laufe der Jahrhunderte über Katalanen gesagt haben. Sie wurden stets als anders angesehen, und immer als Bedrohung. Doch was bedrohlich an den Katalanen ist, ist die unbewuβte Schuld des Miβbrauchtreibenden, der sie nicht aushält und sie darum verleugnet und auf die Miβbrauchten projiziert.

Aus der Sicht dieser selbsternannten internationalen Beobachterin des katalanisch-spanischen Konflikts ist die Geschichte so heftig und eindeutig anderwo nicht gegeben. Das mag an meiner Unwissenheit liegen. Aber mein Vorschlag an die Herren Stammtischbrüder ist es, vom Fehlverhalten ihres Gefährten zu lernen. Wenn man eine gute Beziehung mit Menschen haben möchte, dann täte man gut daran, diese Menschen in ihrer Besonderheit kennenzulernen, ihnen zuzuhören, sich ihre Wünsche und Ängste zueigen zu machen, um Wünsche im Bereich des Möglichen erfüllen zu können und Beistand gewähren zu können, wo Angst herrscht. Doch selbst das würde in diesem besonderen Fall nichts mehr nützen. Das Verhältnis zwischen Spanien und Katalonien war von dem Moment an zum Scheitern verurteilt, als die spanischen Länder zu einem Land wurden und Spanien begann, die Selbstverwaltungsbefugnisse des katalanischen Volkes gewaltsam zu unterdrücken und die zentralistische Ordnung, die die spanische Regierung charakterisiert, durchzusetzen. 

Eine Charakteristik des katalanischen Volkes ist seine Fähigkeit andersartige Menschen in die Gesamtbevölkerung zu integrieren. Die Spanier, die in Katalonien leben, brauchen sich diezbezüglich keine Sorgen zu machen. Auch erscheint es dieser selbsternannten internationalen Beobachterin, daβ niemand Grenzen ziehen will, wo bisher keine waren. Es dreht sich vielmehr darum, die Zuständigkeit für das eigene Land zu übernehmen. Ein gutes Verhältnis zwischen Spanien und Katalonien wird man schaffen können, sobald Spanien die katalanische Souveränität anerkennt.

Die Verleugnung der Andersartigkeit eines Menschen oder eines Volkes ist Gewalttätigkeit, ob durch Waffen, Gesetze oder Verfassungen. Gesetze und Verfassungen sind dazu da, das gesellschaftliche Zusammenleben zu regeln und Respekt und Gleichberechtigung im Umgang der  Mitglieder einer Gemeinschaft miteinander zu sichern. Gesetze, die diesem Zweck entgegenstehen, sind auf Dauer nicht haltbar, denn statt das Zusammenleben aller zu regulieren, fördern sie den Untergang der Gemeinschaft insgesamt.

Die einzig archetypisch kohärente Lösung des spanisch-katalanischen Konfliktes ist die Anerkennung der katalanischen Souveränität. Auch wenn es der spanischen Regierung schwerfällt, kann sie die Schuld des Miβbrauchtreibenden nur begleichen, indem sie Schritte unternimmt, um die verletzte Beziehung zu reparieren. Nur dann wird die spanische Gesellschaft sich umorganisieren können, um gemeinsam mit einer souveränen katalanischen Bevölkerung einen Beitrag zum Bestand der europäischen Gemeinschaft leisten zu können. Wenn aber die Schuld der spanischen Regierung weiterhin verleugnet wird, wird sie durch Fehlleistungen, Bankrott, Versagen und Erfolglosigkeit zu Tage treten, wahrscheinlich nicht nur in Spanien und Katalonien, sondern am europäischen Stammtisch insgesamt. Aus der Welt schaffen kann man diese Schuld nicht, selbst wenn es Spanien gelänge, jeden einzelnen Katalanen unter die Erde zu bringen, was höchst unwahrscheinlich ist. Ein katalanisches Sprichwort besagt, daβ jeder Katalane, der unter die Erde gebracht wird, zu einer Handvoll von Samen wird. Und aus jedem einzelnen davon werden dann neue Katalanen wachsen.

Für jemanden, der sich für Frieden und Vereinigung der Menschheit einsetzt, ist es also geradezu unabdinglich, die katalanische Bestrebung nach Unabhängigkeit zu unterstützen, denn Frieden und Vereinigung sind unmöglich, wenn ein Volk gegen seinen Willen gezwungen wird, an einem Staat teilzunehmen, noch dazu, wenn dieser Staat Rechtmäβigkeit verhöhnt, wie es die gegenwärtige spanische Regierung tut. Als souveräne Nation wird Katalonien mit aller Sicherheit einen wertvollen Beitrag zum friedlichen Zusammenleben aller Völker und zur Vereinigung der Menschheit leisten. Die einzigen, die sich davon bedroht fühlen, sind diejenigen, die bisher ungestraft in die eigene Tasche gewirtschaftet haben.
 
Brigitte Hansmann
Angewandte Sprachwissenschaften
Archetypische Musteranalyse
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Strukturelle Integration
www.dfa-europa.com

Freitag, 13. Oktober 2017

Spaniens Regierung projiziert die eigene innere psychische Realität. Was heiβt das? Unbewuβte Schuld, was ist das?



Sehr geehrte Frau Merkel, 

im Bezug auf meinen gestrigen offenen Brief an Sie möchte ich zwei Konzepte klären, damit sie auch für Menschen ohne Fachkenntnisse klar verständlich werden. Auch dieser Brief ist offen für jedermann zugänglich in ellabuchenwald.blogspot.com.

Spaniens Regierung projiziert die eigene innere psychische Realität. Was heiβt das?

Die spanische Regierung und die Opposition der katalonischen Regierung werfen dieser undemokratisches Verhalten vor. Doch ist es undemokratisch, das Mandat, für das man gewählt wurde, durchzuführen, in diesem Fall ein Referendum, also eine Volksbefragung, ein Mittel der Demokratie? Ist es demokratisch, ein Referendum verhindern zu wollen durch hinterlistige Gesetzmacherei, Intervention der Finanzen, Verhaftung gewählter Repräsentanten des Volkes, Androhung von Höchststrafen, Aufhetzung der Bevölkerung durch falsche und tendenziöse Berichterstattung, durch Behinderung anderweitiger Berichterstattung, durch Polizei- und Militärgewalt?

Verschiedene Sprecher des spanischen Regierung, z.B. Herr Hernández, und der katalanischen Opposition, z. B. Frau Arrimadas, beschimpfen die katalanische Regierung als Nazis und Faschisten. Frau Arrimades bezeichnete das, was sie den katalanischen Nationalismus nennt, als das schlimmste Beispiel von Nationalismus in Europa in den letzen Jahrhunderten. Tatsächlich dreht es sich bei der katalanischen Bestrebung nach Selbstbestimmung um keinerlei Nationalismus, sondern einzig und allein um das Bestreben, die eigenen Belange selbst bestimmen zu können. Es ist gegen niemanden gerichtet, auch nicht gegen Spanien. Diese Vergleiche stellen eine unverzeihliche Banalisierung des Leidens der Opfer des Nationalsozialismus und Faschismus dar, zeigen aber die wahre Gesinnung derer, die sie aussprechen. In all den Jahren, in denen das Thema der katalanischen Selbstbestimmung im Gespräch ist, hat es ihrerseits keinen einzigen konstruktiven Vorschlag zur Lösung des Problems gegeben, nichts als Verleugnung, Verleumdung, Lächerlichmachung, Angriffe. Eindeutig fühlen diese Menschen sich bedroht, doch die Bedrohung besteht in ihrer eigenen inneren Haltung. Da diese Haltung unbewuβt ist, können sie nicht erkennen, daβ die Bedrohung, die sie als von der katalanischen Bestrebung nach Selbstbestimmung ausgehend wahrnehmen, tatsächlich eine Projektion der eigenen Haltung ist.

Die drei ursprünglichen Anklagepunkte gegen die 14 verhafteten Volksvertreter, Rechtsbeugung, Ungehorsam und Veruntreuung öffentlicher Mittel, treffen einzig und allein im Zusammenhang mit einem 2015 im Expressverfahren durchgeboxten Verfassungszusatz zu, dessen einziger Zweck eben dieser war: die katalanische Bestrebung nach Selbstbestimmung zu unterdrücken. Andererseits treffen alle drei Punkte voll und ganz auf das Verhalten der spanischen Regierung zu: das Recht wurde gebeugt, um es als Handhabe gegen die katalanische Bestrebung nach Selbstbestimmung zu benutzen; internationale Pakte und Bestimmungen der eigenen Verfassung wurden nicht beachtet, um auf keinen Fall der katalanischen Bestrebung nach Selbstbestimmung Raum zu gewähren; Unmengen öffenlicher Mittel flieβen in das Polizeiaufgebot, das die katalanische Bestrebung nach Selbstbestimmung unterdrücken soll. Doch die Veruntreuung öffentlicher Mittel seitens der spanischen Regierung geht noch viel weiter. Die europäische Gemeinschaft täte gut daran, einen näheren Blick auf die Verwendung europäischer Mittel in Spanien zu werfen.

Unbewuβte Schuld entsteht, wenn man sein Verhalten darauf ausrichtet, einen Vorteil auf Kosten Anderer zu bewirken, und so dem Gemeinwohl schadet. Selbst wenn man sich voll im Recht fühlt, wie all die Menschen, die sich auf Rechtsstaat und Verfassungstreue berufen, oder wie früher auf Vaterlandstreue, besteht eine Schuld, wenn man alles daran setzen, das eigene Schäfchen auf Kosten anderer ins Trockene zu bringen. Auch mit Spanien wird ein selbstverwaltetes Katalonien bessere Verhältnisse herstellen können als unter der spanischen Fuchtel. Ein anderes Beispiel wäre ein internationaler Gerichtshof, der Konzernen die Möglichkeit bietet, Staaten zu verklagen, wenn sie durch Umweltschutzbedingungen ihren Profit kürzen; wenn dieser Gerichtshof dem Konzern recht gibt, macht sich sowohl der Konzern als auch der Gerichtshof schuldig. Da wir uns ja aber in der Arena des Rechtstaates befinden, fühlt man sich gerechtfertigt und weiβ nichts von der eigenen Schuld. Doch die Schuld besteht und wird unterschwellig auf die eine oder andere Art ihren Preis fodern durch Krankheit, Versagen, Erfolglosigkeit, Bankrott, Einsamkeit, Bezugslosikeit, Zerstörung der Umwelt und des eigenen Innenlebens, auf individueller sowohl als auch auf kollektiver Ebene. 

Im Zusammenhang mit den Kriegen und Diktaturen des 20. Jahrhunderts lastet die Schuld derjenigen, die sich gegen das Gemeinwohl der Menschheit vergangen haben, auch auf deren Nachkommen,  auch noch in zweiter und dritter Generation, ob sie sich dessen bewuβt sind oder nicht. Wenn man diese Schuld anerkennt, kann man die nötigen Schritte unternehmen, um die geschädigte Beziehung zu reparieren. Unterschwellige Sühne durch Leiden ist unmöglich, denn sie lähmt und führt dazu, sich noch weiter von der verletzten Beziehung zurückzuziehen. So wird Schuld verewigt. Der einzige Weg eine Schuld zu bereinigen, ist es, sie zuzugeben und den angerichteten Schaden soweit wie möglich zu beheben.  

Die Haltung der spanischen Regierung und der Anstieg der rechtsradikalen Stimmen im deutschen Volk sind Symptome der selben Tendenz, die zu nichts als Leiden führt. Die katalanische Regierung liefert uns ein wunderbares Beispiel, wie eine Vielzahl verschiedener Ansätze gemeinsam zur Durchführung schwieriger Unternehmen zusammenarbeiten und alle Schwierigkeiten überwinden kann. Statt schulmeisterhaft den Zeigefinger zu erheben, sollten Regierungen überall sich zusammensetzen und von diesem Beispiel lernen.

Mit freundlichen Grüβen, 

Brigitte Hansmann
Angewandte Sprachwissenschaften
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Donnerstag, 12. Oktober 2017

Offener Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel



Offener Brief:
Sehr geehrte Frau Merkel,

Zu allererst: Herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl!

Fassungslos steht diese selbsternannte internationale Beobachterin des spanisch-katalanischen Konflikts der Unverfrorenheit gegenüber, mit der die spanische Regierung die Tatsachen verdreht und sich dabei auch noch auf Rechststaatlichkeit und Verfassungstreue beruft. Daβ sie in dieser Haltung von internationaler Seite, insbesondere von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, bestärkt wird, zeigt inwieweit diese ihren Blick abwenden von den tatsächlichen Gegebenheiten. Wie kann es sonst sein, daβ Sie nicht sehen, daβ die Worte der Regierung Projektionen der eigenen inneren psychischen Realität auf die katalanische Regierung und Bevölkerung reflektieren und mit den legitimen Bestrebungen und dem Verhalten der Bevölkerung Kataloniens und der von ihr gewählten Regierung nichts zu tun haben?

Es soll zugestanden sein, daβ es sich dabei möglicherweise nicht um kalte Berechnung handelt und die Menschen, die von den Völkern Spaniens beauftragt wurden, die Belange des Landes zu leiten, tatsächlich von der Berechtigung ihrer Ansprüche überzeugt sind. Aber die Handhabung der Verwaltung der Finanzen des Landes zeigt klar, dass diese Regierung Rechtsstaatlichkeit verhöhnt. Auch die Verfassungstreue der PP-Regierung ist höchst fraglich. Bis zuletzt weigerte sich die PP 1978 die Verfassung anzuerkennen. In den letzten Jahren scheute sie sich nicht, die Verfassung zu ändern mit dem alleinigen Ziel, die katalanischen Bestrebungen zur Selbstbestimmung behindern zu können.

Wenn europäische Leiter sich auf die Einhaltung der spanischen Verfassung beziehen, sollten sie dabei in erster Linie die spanische Regierung dazu auffordern, sich an Rechststaatslichkeit und Verfassungstreue zu halten. Wieder und wieder beruft sich die spanische Regierung auf den Artikel der Verfassung über die unteilbare Einheit des Vaterlandes aller Spanier, der vermeintlich mit den katalanische Bestrebungen nach Selbstbestimmung im Widerspruch steht.

In Europa weiβ man anscheinend nicht, daβ dieser Artikel unter Androhung von Waffengewalt in die Verfassung aufgenommen wurde. Zwar war ich persönlich nicht dabei, ich bin erst 1980 nach Barcelona gezogen, aber ich habe von zahlreichen verschiedenartigen Quellen –nicht nur katalanischen- immer wieder denselben Satz gehört: Das Militär saβ mit geladenen Waffen im Nebenzimmer.

Dieser Artikel steht im Widerspruch zu den Artikeln 95.1 und 96.1, die bestimmen, daβ internationale Pakte in die innere Ordnung aufgenommen werden, sobald sie ratifiziert und ordnungsgemäβ in Spanien veröffentlicht wurden, und daβ die Verfassung gegebenenfalls an internationale Pakte anzupassen ist. Noch bevor die spanische Verfassung verabschiedet wurde, wurde im offiziellen Staatsbulletin ein internationaler Pakt über das Selbstbestimmungrecht aller Völker veröffentlicht, der mit dem Artikel über die unteilbare Einheit des Vaterlandes aller Spanier nicht vereinbar ist, so daβ dieser aus der Verfassung gestrichen werden muβ. Oder aber Spanien muβ aus dem internationalen Pakt ausscheiden.


Was einen Dialog zwischen Präsident Puigdemont und Präsident Rajoy angeht, so wünschenswert er auch sein mag, wird er ohne eindeutigen Druck und Mediation seitens der internationalen Gemeinschaft wohl kaum zustande kommen. Bitte bedenken Sie, daβ Präsident Puigdemont von ganzem Herzen spricht und dabei die Herzenswünsche von Millionen von Katalanen an seiner Seite und hinter sich weiβ. Präsident Rajoy ist nicht in der Lage von Herzen zu sprechen, denn der Zugang zu seinem Herzen ist von unbewuβter Schuld versperrt. Seine Ansprachen gehen über die Worte, die von den Redakteuren seiner Reden vorgeschrieben sind, nicht hinaus. So geschieht es, zum Beispiel, daβ er als Leiter der Opposition die Durchführung des Referendums beantragt, die er als Leiter der Regierung einige Jahre später verweigert.

In Ihrem Kommentar über die letzten Wahlergebnisse in Deutschland stellten Sie die Frage, warum ein beachtlicher Anteil der deutschen Bevölkerung eine rechtsradikale Partei in den Bundestag gewählt hat.

Bitte nehmen Sie zwei bedeutende Gründe dafür zur Kenntnis: posttraumatischer Streβ und unbewuβte Schuld im Zusammenhang mit den zwei Weltkriegen und dem Dritten Reich, die seinerzeit nicht verarbeitet werden konnten. Ich nehme an, die Wunden waren zu tief, der Horror zu groβ und die Schuld unerträglich. Doch ist es unmöglich, diese der Realität entsprechenden Empfindungen einfach aus der Welt zu schaffen, so sehr man sich auch anstrengen mag, sie zu unterdrücken und zu verdrängen. Unterhalb der Bewuβtseinsschwelle  werden sie von Generation zu Generation übertragen, auf genetischem Wege sowohl als auch durch Verhaltensmuster, die in den ersten Lebensjahren entstehen. Solange diese unbewuβten psychischen Inhalte nicht individuell und kollektiv angesprochen und aufgearbeitet werden (und das ist möglich), werden sie immer wieder ähnliche Dynamiken zustande bringen. Auch der katalanisch-spanische Konflikt ist auf solche unbewuβten Dynamiken zurückzuführen.

Wegzuschauen vom Unrecht, das anderen angetan wird, gehört zu der Schuld, die auf vielen Deutschen und anderen Europäern auch in zweiter und dritter Generation noch lastet.

Die katalanische Bevölkerung und Regierung zeigt eine beispielhafte Reife in ihrem Beharren auf friedfertige Lösungen des Konfliktes durch Verhandlungen und Dialog, die einen Weg der Hoffnung für ein friedliches Zusammenleben aller Völker der Erde zeigt. Die Unverfrorenheit und Gewalttätigkeit der spanischen Haltung zeigen die Angst und Zerbrechlichkeit aus der sie erwachsen; sie führen in eine Richtung, die Angst und Zerbrechlichkeit allgemein in der gesamten Weltbevölkerung fördert.

Bitte denken Sie an die Absicht, die sie als junges Mädchen der Welt gegenüber erklärt haben. Bitte helfen Sie, den Bann zu brechen, unter dem die spanische Regierung und Leitung der Opposition stehen!

Weitere diesbezügliche Beobachtungen finden Sie auf englisch in A Breath of Fresh Air, auf spanisch und katalanisch in Aire Fresco und auf deutsch  in Ella Buchenwald (über die katalanische Frage nur ein Märchen und ein offener Brief, aber viel über Deutschland, posstraumatischen Streβ und unbewuβte Schuld).

Mit freundlichen Grüβen,


Brigitte Hansmann
Angewandte Sprachwissenschaften
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Donnerstag, 21. September 2017

Der König der keine Ruhe fand - Ein Märchen

Es war einmal ein König. Der war sehr traurig, weil er keinen direkten Nachkommen hatte. Er war krank und wuβte, daβ er nicht lange leben würde. Ihm war klar, daβ sein Gesundheitszustand auf die Sünden seiner Vorfahren zurückzuführen war, aber daβ auch der Machthunger seiner Zeitgenossen dazu beitrug, war nicht ganz auszuschlieβen. Seine Sorge war groβ. Zum einen hatten die Militärausgaben seiner Vorgänger die Bevölkerung der Königreiche, die ihm unterstanden, verarmt. Er hatte sich bemüht, die Steuerbelastung seiner Untertanen zu lindern, indem er die Ausgaben für Militär drastig senkte, und das war ihm auch gelungen, denn den einfachen Leuten ging es allmählich besser. Aber seine Position als König war nicht sehr stark. Vielen Edelleuten und Befehlshabern der Armee war er ein Dorn im Auge, denn die wollten nicht auf die Privilegien verzichten, die sie bisher innehatten. Ganz im Gegenteil, sie wollten mehr.

Die Völker seines Reiches waren sehr verschieden. Die Bewohner von Nogara waren stets bemüht, ihren Beitrag zur Regierung und Regulierung des öffentlichen Lebens zu leisten. Sie hatten groβes Durchhaltevermögen. Wenn sie sich einmal etwas vorgenommen hatten, gab es nichts, was sie von dem gewählten Weg abbringen konnte. Ein Grundsatz, den alle befolgten, hieβ: Wenn man mit einander redet, kann man einander verstehen, denn miteinander reden bedeutet auch, zuhören zu können. Und so gab es in der Organisation dieses Landes Institutionen, in denen die Bürger miteinader reden und sich an der Regierung des Landes beteiligen konnten.  Diese Art die Macht der Regierung zu verteilen, war dem König lieber als die Zentralgewalt, die er in Sticalla ausüben sollte.

Die Bewohner von Sticalla neigten gröβtenteils dazu, die Verantwortung für die eigenen und die gemeinsamen Belange des Reiches der Zentralgewalt des Königs und der Aristokratie zu überlassen. Die Edelleute waren eher kriegerisch veranlagt. Viele von ihnen waren Abenteurer, stets darauf aus, andere Völker zu erobern und zu unterwerfen und deren Reichtümer zu ergattern, genauso wie sie es mit den Früchten der Arbeit der Untertanen ihres eigenen Landes taten.

Der König fürchtete, daβ die Krieger und Abenteurer von Sticalla über die Bewohner von Nogara herfallen würden, wen auch immer er als seinen Nachfolger bestimmte. Zwei Kandidaten gab es in der Erbfolge, aber er traute keinem von beiden zu, beide Länder den Eigenschaften und Fähigkeiten der Einwohner gemäβ regieren zu können. Die einen brauchten die Möglichkeit sich an den Regierunggeschäften zu beteiligen, um die Wirtschaft und Kultur des Landes zur vollen Blüte zu bringen. Die anderen kamen nicht ohne die Leitung der Zentralgewalt aus.

Dann kam einer der Kandidaten plötzlich durch einen ungeklärten Unfall ums Leben. Der andere war Enkel der personifizierten Zentralgewalt, mit dem konnte man für Bürgerbeteiligung an der Regierung nicht rechnen. Der wurde nun als Erbe eingesetzt. Der König war sich sicher, daβ sein Nachfolger Nogara unverzogen der Zentralgewalt unterwerfen würde, denn er folgte seinem Groβvater aufs Wort. Um das zu verhindern, machte er ein Testament in dem er festlegte, daβ sein Nachfolger auf jeden Fall die unterschiedlichen Regierungsformen der Länder des Reiches zu wahren hätte. Er konnte nur hoffen, daβ sein Erbe durch Übung lernen und letztenendes den Anforderungen gerecht werden würde. Zunächst einmal wollte er ihn auf die Probe stellen und ihm die Möglichkeit geben zu lernen, die verschiedenen Wesensarten der Völker des Reiches wahrzunehmen, zu respektieren und zu schätzen zu wissen.

Doch noch bevor er die Probe öffentlich ankündigen konnte, starb der König plötzlich. Es ist nicht auszuschlieβen, daβ jemand dafür sorgte, ihn von der Bildfläche zu schaffen. Und es geschah, was er befürchtet hatte: Krieg und Gewaltherrschaft. Jahrhundertelang. Nicht nur in den Ländern seines Reiches, die in „ein groβes Vaterland“ namens Neinpas gezwängt wurden, sondern überall. 

Der König lag nun im Grab und fand keine Ruhe; ständig drehte er sich um seine eigene Achse und bekreuzigte sich: „Mein Gott! Es ist kaum zu glauben!“ Um die Art wie seine Person der Nachwelt dargestellt wurde, machte er sich weiter keine Gedanken, aber was mit der Bevölkerung der Länders seines Reiches geschah, das lieβ ihm keine Ruhe. „Wie kann man diesen Menschen nur klarmachen, daβ in der Verschiedenheit der Völker ihr Reichtum besteht! Man muβ ihnen doch Raum geben, sich zu entfalten. So geht das doch nicht! Ich kann hier doch nicht ruhig im Grab liegen, wenn die eine so grundlegende Erkenntnis einfach übergehen! Die Habgier und der Machthunger dieser Leute gehen wirklich auf keine Kuhhaut! Was soll ich denn bloβ tun? Was kann ich den bloβ tun?“ Die Gefolgsleute seines Nachfolgers legten Marmorplatten aus das Grab und groβe Gesteinbrocken. Aber die Marmorplatten brachen und die Gesteinsbrocken rollten zur Seite, denn der tote König drehte sich und drehte sich immer wieder um seine eigene Achse und kam nicht zur Ruhe.

Wenn sein lebloser Körper auch keine Stimme mehr hatte, wurde sein Klagen doch von einer Kraft wahrgenommen, die in der Lage ist, je nach Bedarf  alle möglichen Gestalten anzunehmen, um denen zu helfen, die sie rufen, und sie aus der Not zu befreien. Wenn der König in seiner Not noch zu Lebzeiten seine Gedanken auf die Kraft der Wahrnehmung der Klänge der Welt ausgerichtet hätte, wäre sie unverzüglich zu seinem Beistand erschienen. Doch er hat immer nur darüber nachgedacht, was er tun soll. Daβ die Wahrnehmung der Klänge der Welt ihm dabei hätte helfen können, eine praktische Lösung zu finden, darauf ist er nicht gekommen.

Die Wahrnehmung der Klänge der Welt hilft unverzüglich allen, die an sie denken. Sobald man sein Denken auf die Wahrnehmung der Klänge der Welt richtet, eilt sie einem zur Hilfe und leistet Beistand in jeder Lage. Ihr Mitgefühl, ihre Barmherzigkeit, ihre Kraft und ihre Fähigkeiten kennen keine Grenzen.

Trotz aller Widrigkeiten war in der Bevölkerung von Nogara auch über Jahrhunderte hinweg die Absicht unerschöpflich, ein Regierungsystem mit Beteiligung der Bevölkerung wiederherzustellen. Unerschöpfliche Absicht steht allen bei, die sich auf sie verlassen. Unerschöpfliche Absicht weiβ  wie wichtig die Wahrnehmung der Klänge der Welt ist für eine erfolgreiche Durchführung von Unterfangen jeder Art ist, und wie groβ ihre Bedeutung ganz besonders in Zeiten von Gefahr und Bedrohung ist. Wie hilft die Wahrnehmung der Klänge der Welt denen, die sich an sie wenden? Wenn man in Bedrängnis ist und an die Kraft der Wahrnehmung der Klänge der Welt denkt, eröffnet sich unversehens ein Weg ins Freie. Ein Mensch mit unerschöpflicher Absicht weiβ die Kraft der Wahrnehmung der Klänge der Welt zu schätzen und widmet ihr voller Freude sein kostbarstes Gut. Das leitet sie sogleich weiter an die absolute Erkenntnis der kostbaren Vielfalt aller Lebensformen.

Über die Jahrhunderte hinweg ist die Unerschöpfliche Absicht ständiger Begleiter eines jeden der bereit ist, Konflikte durch Gespräche beizulegen. Einmal gelang es sogar für ein paar Jahre in Neinpas, den mit Waffengewalt vereinigten Ländern Nogara und Sticalla, ein Regierungmodell einzuführen, daβ voll und ganz in den Händen der Bevölkerung lag, zum Wohle aller Bürger. Im Grab des Königs, der bisher keine Ruhe gefunden hatte, wurde es still in diesen Jahren. Es wuchsen sogar Blumen darauf. Doch den Kriegern und Abenteurern gefiel der Zustand überhaupt nicht, obwohl er ihnen eigentlich viel besser bekam. Aber auf ihre Privilegien zu verzichten, nein, dazu waren sie nicht bereit. Also machten sie wieder Krieg. Auf Gespräche lieβen sie sich nicht ein, mit niemandem. Da müβte man ja die Klänge der Stimmen anderer wahrnehmen. Nein, dazu waren sie nicht bereit. Wenn überhaupt, dann hörten sie nur den Klang der eigenen Stimmen, aber selbst das schien ihnen zuviel verlangt. Denn sobald sie still genug waren, um etwas wahrzunehmen, spürten sie in ihrem Innern den Druck von all den Empfindungen, die sie jahrelang unterdrückt hatten. Das war zuviel. Das hielten sie nicht aus.

Dann enstanden im Umfeld des Reiches Gemeinschaften zwischen verschiedenen Ländern, an denen auch Neinpas teilnehmen wollte. In dieser Hinsicht war man sich einig. Nun muβten die Schwertrassler doch lernen, Gespräche mit anderen zu führen. Doch es fiel ihnen schwer, die Sprachen anderer Länder zu lernen. Und zuhören überhaupt ging ihnen gegen den Strich, selbst wenn das Gesagte in der eigenen Sprache war, insbesondere wenn es aus dem dialogfreudigen Nogara stammte. 

Eine Schuld einzugestehen, selbst im eigenen inneren Gerichtshof des Gewissens, stellte für die Zentralgewalt von Neinpas einen Verlust von Prestige dar, der ihr unerträglich schien. Aber jeder Einzelne, ohne Ausnahme, gehört zur kostbaren Vielfalt aller Lebensformen und kann eine Schuld nicht verbergen, so sehr er auch versucht, sie auf andere abzuschieben, sich zu rechtfertigen oder sich hinter Gesetzen zu verstecken, die extra zu diesem Zweck verabschiedet wurden. Doch Gesetze, die im Widerspruch zu der Gesetzmässigkeit eines friedvollen Zusammenlebens stehen, bringen im Endeffekt nur Schaden für alle. Auch wenn man selbst es nicht bemerkt, wird man früher oder später Dinge tun, die die Schuld klar und deutlich für alle (anderen) sichtbar machen.

Zum Beispiel erlitt einmal ein mit Erdöl gefüllter Tanker namens Prestige Schiffbruch ganz in der Nähe von Neinpas, wenige Jahrhunderte nach Verscheiden des traurigen Königs. Statt alle zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um den Schaden so gering wie möglich zu halten, beschloβ die Zentralregierung, ihn aus den Landesgewässern hinaus ins offene Meer zu schleppen, wo er dann ganz auseinanderbrach. Der Schaden wurde so unermeβlich viel gröβer und erreichte unüberschaubare Ausmaβe. Der Schiffbruch des Prestiges von Neinpas war nun offen ersichtlich für jeden, der hinschaute. 

Erdöl besteht ja aus den sterblichen Überresten der Vorfahren aller heutigen Lebewesen. Seit geraumer Zeit geht es bei Territorialfragen und der Zugehörigkeit zu einem Land oder einem anderen darum, sich den Zugang zu diesen sterblichen Überresten unserer Vorfahren zu sichern, nicht etwa um ihnen die Ehre zu erweisen, wie es ihnen gebührt, sondern um Macht über andere zu gewinnen, und sich persönlich zu bereichern. Es passte genau in die Tradition von Neinpas, an Feldzügen teilzunehmen, um mit Waffengewalt einen Zugang dazu zu erzwingen.

Die Vielseitigkeit der Beziehungen und Verbindungen der Bevölkerung von Nogara, die mit einander und mit anderen sprachen, sich gegenseitig halfen und stets mit Unerschöpflicher Absicht verbunden waren, war der Zentralregierung weiterhin ein Dorn im Auge. Insgeheim fühlte sie sich dadurch bedroht. Eben weil die Schuld der Vorfahren und die eigene unterhalb der Schwelle ihres Bewuβtseins lag, konnten sie nicht wirklich offen und von ganzem Herzen mit anderen sprechen. So sehr sie sich auch auf die Rechtmässigkeit ihrer Ansprüche beriefen, im Grunde war jeder von ihnen doch einsam und alleine.

Dann war die Zeit reif für das Volk, das mit Unerschöpflicher Absicht sich Schritt für Schritt darauf vorbereitet hatte, die Leitung der eigenen Angelegenheiten in die Hand zu nehmen. Doch wollten sie zunächst die Wahrnehmung der Klänge der Welt befragen, denn es war ihnen wichtig, nichts zu unternehmen, was nicht mit ihr im Einklang läge.

Die Zentralregierung wollte die Kraft der Wahrnehmung der Klänge der Welt auf gar keinen Fall zum Zuge kommen lassen. Doch das war ungefähr genauso realistisch, wie einen Ozean mit einem Wasserglas leer schöpfen zu wollen.

Ob der König jemals seine Ruhe finden wird, kann man jetzt noch nicht wissen. Man wird ja sehen, was geschieht. Die Erzählerin überläβt es der Unerschöpflichen Absicht des Volkes von Nogara, widmet ihre volle Aufmerksamkeit der Wahrnehmung der Klänge der Welt und bemüht sich, der absoluten Erkenntnis der kostbaren Vielfalt aller Lebensformen jederzeit zutiefst verbunden zu bleiben.

Und wenn sie alle nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Dies ist ein Märchen. Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Personen und Geschehnissen sind beabsichtigt. Wie viele Märchen, beruht auch dieses auf Überlieferung archetypischer Muster und erhebt keinen Anspruch auf genaue Darstellung von Einzelheiten.

11. September 2017

Brigitte Hansmann
DFA Reconocimiento de Patrones Somáticos
Análisis de Patrones Arquetípicos
www.dfa-europa.com 

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Montag, 4. September 2017

Meine Mutter, Mechthild Borrmanns Trümmerkind und Cay Rademachers Oberinspektor Stave

Als 1943 der alliierte Bombenhagel weite Bereiche Hamburgs zertrümmerte, was meine Mutter gerade 14 geworden. Sie hat nie darüber gesprochen. Ein einziges Mal beim Feuerwerk des Geesthachter Schützenfests –ich weiss nicht mehr, wie alt ich da war, vielleicht zehn, elf oder zwölf- hat sie erwähnt, dass es ihr schwerfiel, sich an Feuerwerken zu erfreuen, weil ihr dabei immer die Erinnerung an den Feuersturm hochkam. Das hat mich zwar beeindruckt, aber so richtig nachvollziehen konnte ich es nicht. Auch wagte ich es nicht zu fragen, um mehr zu erfahren, obwohl ich sonst eigentlich viel gefragt habe, über dies, das und jenes. Aber erst in der zweiten Lebenshälfte haben es mir Dokumentar- und Spielfilme, ein Buch mit Photos der zertrümmerten Stadt Hamburg und Bücher über die Heimatgeschichte von Geesthacht ermöglicht, mir ein Vorstellung davon zu machen, wie es für meine Eltern gewesen sein muss, in den dreissiger und vierziger Jahren in Deutschland aufzuwachsen. Darüber gesprochen wurde bei uns zu Hause herzlich wenig.


Ich fand Mechthild Borrmann Trümmerkind auf dem Hamburger Flughafen im Winter 2016. Ich war auf dem Weg zurück nach Barcelona, wo ich seit 37 Jahren zu Hause bin, nach einem Vortrag über die „Schatten der Weltgeschichte im persönlichen Erleben“, den ich in meiner Heimatstadt Geesthacht hielt im Rahmen des 800-jährigen Jubiläums der Stadt und der Alfred-Nobel Tage, die alljährlich vom Förderkreis für ein Geesthacher Industriemuseum organisiert werden.   

Die Lektüre von Trümmerkind verschaffte mir Zugang zu einem Bereich des Lebens meiner Mutter, den sie mit all ihrer Kraft aus ihrer bewuβten Empfindung ausgeschlossen hatte. Vor vielen Jahren, Anfang der 90er, als ich durch meine Arbeit mit dem Duggan/French Approach (DFA) für Somatische Mustererkennung und  im Laufe einer Jungianischen Analyse Zugang zu meinem eigenen Innenleben fand, sah ich die Trümmerfelder der Stadt in Träumen. Mein Innenleben war mir bisher verschlossenen gewesen, denn es ist im täglichen Umgang mit der Mutter ganz besonders in den ersten Lebensjahren, wo das Innenleben sich gestaltet. Die verschlossenen Bereiche im Innenleben meiner Mutter hatte ich direkt, sozusagen unter Verschluβ, übernommen. Es waren wohl diese Bereiche, die dafür sorgten, das es sich so anfühlte, als ob die Verbindung mit meiner Mutter bestenfalls schwierig war.

Im Laufe der Jahre lernte ich es, besser mit der Schwierigkeit der Verbindung zu ihr zurechtzukommen, aber erst nach ihrem Tod ist mir aufgefallen, wie viel ich nicht weiβ von ihrem Leben, und wie viel ich doch gern wissen würde. Ich bin Frau Borrmann dankbar für den Zugang, den Trümmerkind mir ins Innenleben meiner Mutter eröffnet hat. Als ich sehen wollte, ob es eine englische Übersetzung des Romans für eine Freundin gibt, fand ich Der Trümmermörder, das erste Buch der Triologie von Cay Rademacher über Oberinspektor Stave. Seine Ermittlungen haben mich meiner Mutter noch viel näher gebracht, denn sie vergegenwärtigen Zustände und Gegebenheiten, die zu ihrem Alltag gehört haben müssen. Staves Wege, Gedanken und Gefühle haben einen Bereich in meinem Innern, der in einem vagen Dunst gehüllt war, mit Leben gefüllt. Ein schwieriges und hartes Leben, erfüllt mit Schmerz, Traurigkeit, Verlust, Hunger, Durst, üblen Gerüchen und vielerlei Gefahren und Entbehrungen, aber besser als der nebulöse Dunst, in dem man nichts sehen, geschweigen denn klar erkennen kann. Die Vergegenwärtigung dieser eher unangenehmen Gefühle und Empfindungen hat die unter ihnen begrabene Liebe meiner Mutter zum Vorschein gebracht und mich damit gestärkt, auch wenn sie schon seit vielen Jahr nicht mehr am Leben ist.  Vielen Dank dafür, Herr Rademacher!


Sehr gern würde ich es sehen, wenn die Ermittlungen des Oberinspektor Stave einer Spur nach Geesthacht folgten, in das Umfeld der Dynamit- und Pulverfabriken, die 1947/48 schon teilweise gesprengt und teilweise anderen Zwecken zugeführt worden waren. Nicht dass ich von einem ungeklärten Mordfall wüβte, den könnte man bestimmt finden oder erfinden. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass die körperlichen und psychischen Folgen in den Familien die in der Dynamit- und in der Pulverfabrik gearbeitet haben, bei seinen Ermittlungen zum Vorschein kämen.

Von diesen Folgen handelte mein Vortrag im Förderkreis für ein Geesthachter Industriemuseum. Es ging um „Verstehen und Therapie traumatischer Erlebnisse am Beispiel der Geesthachter Kriegsgeschichte“. Ich sprach sehr lange, zu lange; und so war am Ende nur ganz wenig Zeit für eine praktische Anwendung im Sitzen, Stehen und Gehen, um das Verhältnis des Körpers zur Schwerkraft wahrzunehmen und Unterstützung  und eine freiere Bewegung zu finden. Nur ganz kurz haben wir einige Merkmale der gewohnten Form der Bewegung und Haltung aufgezeigt und im Kontrast dazu einer an der Schwerkraft ausgerichteten Form nachgespürt.

Die meisten Teilnehmer spürten wohl einen Unterschied zwischen beiden Formen, ihrer gewohnten Haltung und einer im Schwerkraftfeld ausgewogeneren. Um jedoch das Ausmaβ und die Bedeutung dieses Unterschiedes wirklich zu verstehen, hätten sie mehr Zeit gebraucht. Zwei Herren fortgeschrittenen Alters war allerdings auf Anhieb klar, was sie da spürten: eine sicherere Grundlage, mehr Unterstützung, ein freierer Blick und freiere Bewegung und Atmung, mehr Stabilität bei einem ausgewogenen Verhältnis zur Schwerkraft; im Gegensatz zu Verspannung, Zurückhaltung, eingeschränkter Bewegungsfreiheit, verhaltenem Atem, einem engeren Gesichtsfeld, usw., in der gewohnten Haltung. Beide Herren waren im Krieg Kinder; einer war sechs in der Nacht des Feuersturms über Hamburg, der andere was vier während der Flucht aus dem Osten. Beide hatten in der zweiten Lebenshälfte einen Zusammenbruch in der Folge des posttraumatischen Stresses im Zusammenhang mit ihren Kriegserlebnissen. Beide sahen sich gezwungen, die innere Arbeit zu leisten, um ihr inneres Gleichgewicht wiederherzustellen. Durch diese innere Arbeit gewannen beide an Empfindsamkeit und Spannkraft, so dass sie den eigenen Körper und ihr Verhältnis zur Umwelt klarer wahrnehmen konnten als Menschen, die diese Arbeit nicht getan haben.

Es ist nicht nötig zu warten, bis man nicht mehr kann und zusammenbricht. Die Arbeit kann getan werden, solange man noch bei Kräften ist. Zwar ist das nicht jedermanns Sache, aber zur Wahrung einer guten Gesundheit für viele letzenendes unausweichlich. Viele sagen, man soll die Vergangenheit ruhen lassen. Das ist wohl richtig, solange sie wirklich ruht. Doch das kann sie meist nicht, wenn sie ständig durch unbewuβte Wiederholungen gegenwärtig gehalten wird, wie es geschieht, auch wenn man selbst die traumatischen Gegebenheiten gar nicht erlebt hat, denn Trauma wird unbewuβt von Generation zu Generation weitergegeben.

Es ist in unserem Innern, wo wir die Reaktion auf traumatische Geschehnisse zur Ruhe bringen können. Doch dafür müssen wir hinschauen. Wenn wir die Muster erkennen, können wir unser Vehalten neu ausrichten, so dass wir die Vergangenheit wirklich hinter uns lassen können. Dann wird sie uns den Rücken stärken und das Wissen und die Erkenntnis, die wir dabei erwerben, werden uns dabei helfen, der Dynamik der Gewalt entgegenzuwirken, statt von ihr mitgerissen zu werden als Täter, Opfer oder Zeuge. Die Geschehnisse in der Welt machen den Kreislauf der Gewalt und Zerstörung klar und deutlich. Aber es ist nicht die menschliche Natur, sondern nichts anderes als die blinde Wiederholung ungelöster Traumata auf individueller und kollektiver Ebene.

Es ist nicht einfach zu erkennen, inwieweit das eigene Leben vom kollektiven Trauma der Kriege und Diktaturen der Vergangenheit bestimmt ist, ganz besonders, wenn die Traumareaktion von vorherigen Generationen übernommen wurde. Wer kommt schon auf den Gedanken, dass die Symptome einer Krankheit aus dem ungelösten posttraumatischen Stress der Eltern oder sogar der Groβeltern entstanden sein können. Zum einen müβte man verstehen, wie Körper und Psyche sich entwickeln, zum anderen muβ man etwas über die geschichtlichen Hintergründe wissen. Romane wie die von Frau Borrmann und Herrn Rademacher können dabei helfen, das Verhalten der Eltern und Groβeltern zu verstehen und einen Kontext für eigene Empfindungen und Verhaltensweisen schaffen, die im Zusammenhang mit den Geschehnissen des eigenen Lebens wenig Sinn ergeben, mit den Geschehnissen der vorangegangenen Generationen aber im Einklang sind.

Ein Wandel auf der kollektiven Ebene, der ein friedliches Zusammenleben der Menschen und Völker ermöglichen könnte, wird wahrscheinlich nur in dem Maβe möglich sein, indem eine Vielzahl einzelner Menschen individuell dazu bereit sind, die innere Arbeit zu leisten, die von unseren Vorgängern zurückgelassenen Trümmer zu räumen. Gewiss mag man dabei die eine oder andere Leiche finden, so kann man dann die ihr gebührende Ehre erweisen; aber auch Schätze und Kunstwerke, die Liebe einer Mutter für ihr Kind, und so manches andere Nützliche wird dort zu finden sein.

Sehr gerne würde ich mit Autoren und Produzenten in Film, Fernsehen, Literatur und Theater als Berater für archetypische Kohärenz zusammenarbeiten, so dass ihre Werke nicht zu einer simplen Wiederholung der traumatisierenden Bedingungen sondern zu deren Lösung beitragen.

Brigitte Hansmann
Somatische Mustererkennung
Archetypische Musteranalyse
Tel.: (+34) 606676436
www.dfa-europa.com