Sehr geehrte/r Frau/Herr Richter/Staatsanwalt,
Bitte beachten
Sie bei Ihrer Entscheidung im Auslieferungsverfahren gegen den demokratisch
gewählten sehr ehrenwerten Präsidenten Carles Puigdemont i Casamajó, daβ die durch
den spanischen Staat betriebene Kriminalisierung der katalanischen Regierung gröβtenteils
auf der Verleugnung der eigenen Schuld beruht für eben die Verbrechen, die den
katalanischen Führungskräften vorgeworfen werden, ganz abgesehen von
böswilliger Verleumdnung. Ganz besonders wichtig für uns als deutsche
Staatsbürger ist es zu erkennen, daβ auch die deutsche Gesellschaft einen Teil
dieser Schuld zu tragen hat.
Der bewaffnete
Aufstand und Hochverrat gegen die demokratisch gewählte Regierung, die in Spanien
stattfand, wurde unter aktiver Beihilfe des nationalsozialistischen Deutschland
durchgeführt. Diese Verbrechen gegen die Menschheit wurden in Spanien niemals
anerkannt, geschweigedenn gebüβt. Rechtsprechung und Gesetzgebung liegen
weiterhin weitgehend in den Händen der Erben des mit Nazi-deutscher Hilfe an
die Macht gebrachten Regimes.
Worte wie
Verfassungstreue oder Rechsstaat, auf die sich die spanische Regierung und auch
der deutsche Regierungssprecher immer wieder berufen, wurden durch ständige
Wiederholung angesichts der offenkundigen Verfassungswidrigkeiten der spanischen
Vorgehensweise, die in klarem Widerspruch zur angeblichen Rechtsstaatlichkeit
des spanischen Staates stehen, zu bedeutungslosen Clichés, denn im Verhalten
der spanischen Regierung kommen diese Konzepte in keinster Weise zur Geltung.
Im Gegenteil, die Zahl der Verbrechen der spanischen Regierung ist
schwindelerregend hoch; die eigene verleugnete Schuld wird jeweils auf
politische Gegner projiziert.
Was seitens des
spanischen Staates als Veruntreuung öffentlicher Gelder ausgelegt wird, wurde
in Erfüllung des Mandats verausgabt, für das die in Spanien inhaftierten und in
Europa im Exil befindlichen Mitglieder der katalanischen Regierung mehrheitlich
gewählt wurden. Anderseits ist vom spanischen Staat ein vielfaches der
fraglichen Summe für repressive, gewaltsame Maβnahmen gegen eine friedliche
Bevölkerung veruntreut worden, von unzähligen Korruptionsverfahren und der
Plünderung der Persionsreserven mal ganz abgesehen.
Die in der spanischen
Verfassung verankerte Klausel über die unteilbare Einheit des spanischen
Vaterlandes, auf der die gesamte Argumentation der Illegalität und Illegimität
gegen die katalanischen Souveränitätsbestrebungen basiert, wurde unter
Androhung von Waffengewalt in die Verfassung aufgenommen (das Militär saβ mit
gelandenen Waffen im Nebenzimmer), ist aber an sich verfassungswidrig, denn sie
steht im Widerspruch zu den internationalen Abkommen über das Recht der freien
Selbstbestimmung der Völker, die gemäβ der spanischen Verfassung vorrangig zu
betrachten sind.
Die seitens des
spanischen Staates verfochtene Behauptung, daβ das katalanische Volk kein Volk
sei, kann man nur als Indiz für eine vom spanischen Staat verfolgte
Genozid-Bestrebung betrachten. Über den Tatbestand der Tötung und
Geburtenkontrolle hinausgehend, wird Genozid folgendermaβen definiert:
„ein koordinierter Plan verschiedener Aktionen, der auf die Zerstörung
essentieller Grundlagen des Lebens einer Bevölkerungsgruppe gerichtet ist mit
dem Ziel, die Gruppe zu vernichten. […] Genozid hat zwei Phasen: Eine erste,
bei der die typischen Eigenschaften und Lebensweisen der unterdrückten Gruppe
zerstört werden, und eine zweite, bei der die Eigenschaften und Lebensweise der
unterdrückenden Bevölkerungsgruppe der unterdrückten aufgezwungen werden. Diese
Aufzwingung wiederum kann erfolgen, indem die unterdrückte Bevölkerungsgruppe
bleiben darf, oder sie wird sogar nur dem Gebiet allein aufgezwungen, indem die
Bevölkerung beseitigt wird und eine Kolonisierung dieses Gebiets durch die
unterdrückende Bevölkerungsgruppe folgt.“ (Samantha Power, A Problem from Hell, p. 43)
Beide Phasen sind
in Katalonien gegeben, haben jedoch dank der auβerordentlichen Widerstandskraft
und Resilienz der katalanischen Bevölkerung im Laufe der Generationen nur einen
begrenzten „Erfolg“ erzielt, was nicht zuletzt auch auf ein grundlegendes
Merkmal der katalanischen Kultur zurückzuführen ist, das auf Zusammenhalt
basiert.
Die Tatsache, daβ
trotzdem eine relativ groβe Anzahl katalanischer Bürger sich Spanien zugehörig
fühlt, liegt weitgehend an den Genozidmaβnahmen der Vergangenheit, wobei
Millionen von Menschen aus den verschiedenen Provinzen Spaniens in Katalonien
angesiedelt wurden, die Katalanen und alles Katalanische ablehnten,
höchstwahrscheinlich aus Neid. Die katalanische Kultur basiert auf Integration
aller Neuankömmlinge, doch wenn diese sich nicht integrieren wollen, wie es bei
vielen spanischen Zugezogenen der Fall war, kann auch die beste
Integrationspolitik das nicht ändern. Diese Haltung der Katalanen, die aus
Spanien angesiedelt wurden, um die katalanische Bevölkerung spanisch zu machen,
gehören in diesem Sinne zu den Genozidbestrebungen des spanischen Staats.
Die damit
zusammenhängende Schuld ist höchst schwerwiegend. Sie einzugestehen ist
dementsprechend schwer und erfordert eine groβe emotionale Reife. Aber ohne ein
Eingeständnis dieser Schuld wird ein wahrer Zusammenhalt der Völker nicht
möglich sein, nicht in Spanien, nicht in Europa, nicht in Deutschland.
Bitte sprechen
Sie sich gegen eine Auslieferung unseres sehr ehrenwerten Präsidenten Carles
Puigdemont i Casamajó aus, denn eine solche wäre vom Standpunkt einer
archetypischen Musteranalyse aus gesehen Beihilfe zu den vom spanischen Staate
betriebenen Genozidbestrebungen.
Ich formuliere
mein Anliegen als eine persönliche Bitte, jedoch ist es eher ein wohlgemeinter
Rat, denn im Laufe der Jahrhunderte hat die spanische Haltung den spanischen
Staat immer wieder ins Bankrott gestürzt, mehr als zwanzig mal. Wenn Spanien
weiterhin in dieser Haltung unterstützt wird, macht Deutschland sich nicht nur
mitschuldig sondern läuft auch Gefahr, selbst ins Bankrott mitgerissen zu
werden. Die menschliche Seele hält Ungerechtigkeit auf Dauer nicht aus.
Es besteht kein
Zweifel, daβ eine freie Republik in Katalonien zu einer treibenden Kraft des
Zusammenhalts in Europa werden würde, den gemäβ der Regierungsansprache der
Kanzlerin und Koalitionspartnerin auch die deutsche Regierung anstrebt. Auch
Spanien könnte dann eine gesundere und rechtmäβigere Einstellung entwickeln zum
Wohle aller Beteiligten.
Mit freundlichen
Grüβen,
Brigitte Hansmann
Ein ähnlicher Brief ging an das Bundeskanzleramt, z. Hd. der Bundeskanzlerin Angela Merkel
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