Offener Brief:
Sehr geehrte Frau
Merkel,
Zu allererst:
Herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl!
Fassungslos steht
diese selbsternannte internationale Beobachterin des spanisch-katalanischen
Konflikts der Unverfrorenheit gegenüber, mit der die spanische Regierung die
Tatsachen verdreht und sich dabei auch noch auf Rechststaatlichkeit und
Verfassungstreue beruft. Daβ sie in dieser Haltung von internationaler Seite,
insbesondere von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, bestärkt wird,
zeigt inwieweit diese ihren Blick abwenden von den tatsächlichen Gegebenheiten.
Wie kann es sonst sein, daβ Sie nicht sehen, daβ die Worte der Regierung
Projektionen der eigenen inneren psychischen Realität auf die katalanische
Regierung und Bevölkerung reflektieren und mit den legitimen Bestrebungen und
dem Verhalten der Bevölkerung Kataloniens und der von ihr gewählten Regierung
nichts zu tun haben?
Es soll
zugestanden sein, daβ es sich dabei möglicherweise nicht um kalte Berechnung
handelt und die Menschen, die von den Völkern Spaniens beauftragt wurden, die
Belange des Landes zu leiten, tatsächlich von der Berechtigung ihrer Ansprüche
überzeugt sind. Aber die Handhabung der Verwaltung der Finanzen des Landes
zeigt klar, dass diese Regierung Rechtsstaatlichkeit verhöhnt. Auch die
Verfassungstreue der PP-Regierung ist höchst fraglich. Bis zuletzt weigerte
sich die PP 1978 die Verfassung anzuerkennen. In den letzten Jahren scheute sie
sich nicht, die Verfassung zu ändern mit dem alleinigen Ziel, die katalanischen
Bestrebungen zur Selbstbestimmung behindern zu können.
Wenn europäische
Leiter sich auf die Einhaltung der spanischen Verfassung beziehen, sollten sie dabei in erster Linie die spanische Regierung dazu auffordern, sich an
Rechststaatslichkeit und Verfassungstreue zu halten. Wieder und wieder beruft
sich die spanische Regierung auf den Artikel der Verfassung über die unteilbare
Einheit des Vaterlandes aller Spanier, der vermeintlich mit den katalanische
Bestrebungen nach Selbstbestimmung im Widerspruch steht.
In Europa weiβ
man anscheinend nicht, daβ dieser Artikel unter Androhung von Waffengewalt in
die Verfassung aufgenommen wurde. Zwar war ich persönlich nicht dabei, ich bin
erst 1980 nach Barcelona gezogen, aber ich habe von zahlreichen
verschiedenartigen Quellen –nicht nur katalanischen- immer wieder denselben
Satz gehört: Das Militär saβ mit geladenen Waffen im Nebenzimmer.
Dieser Artikel
steht im Widerspruch zu den Artikeln 95.1 und 96.1, die bestimmen, daβ
internationale Pakte in die innere Ordnung aufgenommen werden, sobald sie
ratifiziert und ordnungsgemäβ in Spanien veröffentlicht wurden, und daβ die
Verfassung gegebenenfalls an internationale Pakte anzupassen ist. Noch bevor
die spanische Verfassung verabschiedet wurde, wurde im offiziellen
Staatsbulletin ein internationaler Pakt über das Selbstbestimmungrecht aller
Völker veröffentlicht, der mit dem Artikel über die unteilbare Einheit des
Vaterlandes aller Spanier nicht vereinbar ist, so daβ dieser aus der Verfassung
gestrichen werden muβ. Oder aber Spanien muβ aus dem internationalen Pakt ausscheiden.
Was einen Dialog
zwischen Präsident Puigdemont und Präsident Rajoy angeht, so wünschenswert er
auch sein mag, wird er ohne eindeutigen Druck und Mediation seitens der
internationalen Gemeinschaft wohl kaum zustande kommen. Bitte bedenken Sie, daβ
Präsident Puigdemont von ganzem Herzen spricht und dabei die Herzenswünsche von
Millionen von Katalanen an seiner Seite und hinter sich weiβ. Präsident Rajoy
ist nicht in der Lage von Herzen zu sprechen, denn der Zugang zu seinem Herzen
ist von unbewuβter Schuld versperrt. Seine Ansprachen gehen über die Worte, die
von den Redakteuren seiner Reden vorgeschrieben sind, nicht hinaus. So
geschieht es, zum Beispiel, daβ er als Leiter der Opposition die Durchführung
des Referendums beantragt, die er als Leiter der Regierung einige Jahre später
verweigert.
In Ihrem
Kommentar über die letzten Wahlergebnisse in Deutschland stellten Sie die
Frage, warum ein beachtlicher Anteil der deutschen Bevölkerung eine
rechtsradikale Partei in den Bundestag gewählt hat.
Bitte nehmen Sie zwei
bedeutende Gründe dafür zur Kenntnis: posttraumatischer Streβ und unbewuβte
Schuld im Zusammenhang mit den zwei Weltkriegen und dem Dritten Reich, die
seinerzeit nicht verarbeitet werden konnten. Ich nehme an, die Wunden waren zu
tief, der Horror zu groβ und die Schuld unerträglich. Doch ist es unmöglich,
diese der Realität entsprechenden Empfindungen einfach aus der Welt zu
schaffen, so sehr man sich auch anstrengen mag, sie zu unterdrücken und zu
verdrängen. Unterhalb der Bewuβtseinsschwelle
werden sie von Generation zu Generation übertragen, auf genetischem Wege
sowohl als auch durch Verhaltensmuster, die in den ersten Lebensjahren
entstehen. Solange diese unbewuβten psychischen Inhalte nicht individuell und
kollektiv angesprochen und aufgearbeitet werden (und das ist möglich), werden
sie immer wieder ähnliche Dynamiken zustande bringen. Auch der
katalanisch-spanische Konflikt ist auf solche unbewuβten Dynamiken
zurückzuführen.
Wegzuschauen vom
Unrecht, das anderen angetan wird, gehört zu der Schuld, die auf vielen
Deutschen und anderen Europäern auch in zweiter und dritter Generation noch
lastet.
Die katalanische
Bevölkerung und Regierung zeigt eine beispielhafte Reife in ihrem Beharren auf
friedfertige Lösungen des Konfliktes durch Verhandlungen und Dialog, die einen
Weg der Hoffnung für ein friedliches Zusammenleben aller Völker der Erde zeigt.
Die Unverfrorenheit und Gewalttätigkeit der spanischen Haltung zeigen die Angst
und Zerbrechlichkeit aus der sie erwachsen; sie führen in eine Richtung, die
Angst und Zerbrechlichkeit allgemein in der gesamten Weltbevölkerung fördert.
Bitte denken Sie
an die Absicht, die sie als junges Mädchen der Welt gegenüber erklärt haben.
Bitte helfen Sie, den Bann zu brechen, unter dem die spanische Regierung und
Leitung der Opposition stehen!
Weitere
diesbezügliche Beobachtungen finden Sie auf englisch in A Breath of Fresh Air, auf spanisch und katalanisch in
Aire Fresco und auf deutsch in Ella Buchenwald (über
die katalanische Frage nur ein Märchen und ein offener Brief, aber viel über Deutschland,
posstraumatischen Streβ und unbewuβte Schuld).
Mit freundlichen
Grüβen,
Brigitte Hansmann
Angewandte Sprachwissenschaften
Archetypische Musteranalyse
DFA Somatische Muster Erkennung
Strukturelle Integration
www.dfa-europa.com
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